Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Böttiger, Carl August [Hrsg.]
Amalthea oder Museum der Kunstmythologie und bildlichen Alterthumskunde — 3.1825

DOI Heft:
I
DOI Artikel:
Roehden, Georg Heinrich: Ueber den Torso der Richmondischen Venus im brittischen Museum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9753#0055

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4

Bemerkung gehört, daß man den Marmor nicht vergesse, son-
dern im Beschauen dieses ausgezeichneten Werkes sich des
Gefühles bewußt bleibe, daß es aus einem künstlerischen
Stoffe gearbeitet sei. Ein solches Gefühl aber sollte immer

er hatte sich oft gewundert, daß er den Laocoon nie lange hatte be-
schauen können. »Allein, sagteer, wenn ein anderes schönes Werk
daneben steht, so wendet sich mein Auge unwillkührlich gleich davon
weg." Er glaubte, es müßte irgend ein Mangel oder Fehler obwal-
ten, wodurch dieses sonst in seiner Art herrliche Werk seines Zaubers
beraubt würde. Meine eigenen Gefühle stimmen mit dem, was Hr.
Dannecker äußerte, überein. Auch mir gewahrt der Laocoon nicht
den hohen Genuß, welcher mir bei andern Meisterwerken zu Theil
wird. Hr. Danneckcr hatte die großen Kunstwerke, worauf ich mich
beziehe, in seinen früher» Jahren zu Rom, und 1304 zu Paris gese-
hen: ich sah sie im I. 1302 zu Paris, und wieder 1319 zu Rom und
Florenz. Vor dem Apoll von Belvedere hatte ich Stunden lang stehen
können, und mein Auge würde nicht gesättigt noch ermüdet gewesen
seyn; aber bei dem Laocoon würde es nicht lange haben ausdauern
können. Außer der Bearbeitung des Marmors, wovon die Rede
war, kommen wohl andere Ursachen in Betracht, welche die Zunei-
gung des Beschauers beim Laocoon vermindern. Der Gegenstand
selbst ist nicht anziehend. Die Seele, wenn sie rein und heiter ist,
kann bei der bloßen Darstellung des Schmerzes und des Leidens keine
Freude empfinden. Die Kunst mag zu bewundern seyn, aber der
Eindruck ist nicht angenehm, und ladet nicht zu der Wiederholung
der Empfindung ein. Bei einer solchen Darstellung kann der Künst-
ler auch nicht in das Ideale übergehen: er muß bei der menschlichen
Natur stehen bleiben; aber es ist eben die Annäherung oder der
Uebergang zum Idealen, welches bei der Kunst die Quelle des erha-
bensten Vergnügens ist. Hr. Dannecker glaubte, daß unrichtige Er-
gänzungen der Wirkung des Bildes geschadet hätten, und die Aende-
rungen, welche er an die Hand gab, schienen sich sehr durch gutes
Urtheil zu empfehlen: allein dieses würde doch den Eindruck, wel-
chen das Bild macht, nicht gänzlich umzuschaffen vermögend seyn.
Was der Zuschauer empfindet, hat einen andern und tiefer liegenden
Grund.
 
Annotationen