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Amelung, Walther
Die Basis des Praxiteles aus Mantinea: archeologische Studien — München, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.4582#0076
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— 74 —

Stirn und Kinn gelegte Senkrechte zurückweichen, während bei Praxi-
teles das Kinn vorne schmal ist und die Unterkiefer schneller und
höher emporsteigen. Entsprechend muss sich natürlich auch die Form
der Wangen verschieden entwickeln, und die breiteren, stärkeren Ge-
sichter des Skopas verlangen eine breitere, gedrungenere und deshalb
auch niedrigere Stirn als die zarteren, schlankeren Gesichter des Praxi-
teles. Am besten zeigt sich dieses hohe Aufsteigen der praxitelischen
Stirnen an den ganz jugendlichen männlichen oder den weiblichen
Figuren, welche das Haar gescheitelt tragen. Man denke im Gegensatz zu
diesen an den Kopf vom Südabhang der Akropolis und die weiblichen
Niobiden. Das Dreieck, welches durch die Flechten und die Brauen
gebilbet wird, ist bei Praxiteles im Durchschnitt schlanker, die Basis
kleiner im Verhältnis zu den Seiten, als bei Skopas. Nur bei einer
Figur, welche dem Kunstkreis des letzteren angehört, erreicht das Dreieck
eine ähnliche Höhe, wie bei Praxiteles: bei der Demeter von Knidos.

Noch ein Unterschied besteht aber in der Art, wie der Schädel über
dem genannten Dreieck nach hinten umbiegt, was wiederum damit zu-
sammenhängt, wie die beiden Künstler den Oberschädel gestalten. Dieser
ist bei Praxiteles höher gewölbt als bei Skopas, und so scheint an seinen
Werken das Stirnbein auch über die Spitze des Dreiecks noch etwas anzu-
steigen, um dann in einem sehr stumpfen Winkel umzubiegen und in die
Wölbung des Oberschädels überzugehen. Bei Skopas ist der Schädel
oben ziemlich flach und so muss das Stirnbein noch innerhalb der Dreiecks-
spitze nach hinten umbiegen, wie man besonders gut an dem Kopf vom
Südabhang der Akropolis beobachten kann. Das Gleiche lässt sich ja auch
an den männlichen Köpfen mit kurzgelocktem Haupthaar konstatieren

Innerhalb des Gesichtes sind Nase und Lippen sehr selten gut
erhalten; speziell an den besprochenen Köpfen sind sie stark mit-
genommen. Auf bezeichnende Unterschiede in der Mundbildung
macht Graf a. a. O. aufmerksam.

Hingegen ist meist unversehrt erhalten der allerbedcutsamste
Teil des Gesichtes: das Auge. Kein Teil des ganzen Körpers ist
einer ins Einzelne gehenden Beobachtung oder gar einem wirklichen
Nachformen so sehr entzogen wie das Auge, und bei keinem anderen
Teil ist der Künstler so sehr auf reine Kunstmittel, ja geradem auf
Abweichungen von der Natur angewiesen, wenn er eben den lebendigen
Eindruck des natürlichen Auges im Kunstwerk erreichen will; bei
keinem Teil also wird sich auch das Persönlichste des Künstlers gerade
so deutlich aussprechen wie beim Auge.
 
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