Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Your session has expired. A new one has started.
Metadaten

Eike <von Repgow>; Amira, Karl von [Editor]
Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels (Band 1) — Leipzig, 1902

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22098#0016
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
datierte Tiara mit dreifacher Lilienkrone war die auf der Petrusherme
Urban's V. vom Jahre 13691). Wenn nun in D Fol. 4a, 5b, 45a der Papst
eine solche Tiara trägt, so werden wir die Handschrift schwerlich über
1350 hinauf setzen dürfen. Zum gleichen Ergebnis führt die Form der
bischöflichen Mitra. Sie erscheint zwar in einigen Bildern von D noch
niedrig und mit geradlinigen Kanten der cornua, wie sie das 13. Jahr-
hundert hindurch und bis gegen 1350 üblich war. Daneben tritt aber auch
schon eine sehr viel jüngere Form auf, überhöht und mit eingebogenen
Kanten der cornua, eine Form, deren allmählige Ausbildung sich chrono-
logisch genau in den Illustrationen des Pontificale Gundecarii zu Eichstätt
verfolgen lässt2). Dort hat seit ca. 1300 bis ca. 1430 jeder Bischof seinen
Vorgänger im Bilde darstellen lassen. Die Erhöhung der Mitra beginnt
mit Sicherheit bei Markwart v. Hageln 1322 1324, die Einbiegung der
Umrisslinien bei Gebhard v. Graisbach 1324—13273). Aber erst bei
Berthold von Zollern, 1355 —1365, dann bei Raban von Wildburgstetten,
1365—1385, hat die Mitra bei gleichzeitiger Einbiegung der Hörnerkanten
die Höhe erreicht, die sie in unserer Handschrift D zeigt, um sie bis gegen
1390 zu behalten4). Später tritt wieder ein Schwanken ein. Auch die
Gestalt der heraldischen Schilde haben wir hier zu beachten. Neben
Dreieckschilden von älterem Typus mit völlig gebogenen Seitenrändern,
wie z. B. Fol. 57 a kommen nicht selten Schilde vor, deren Seitenränder
in der obern Hälfte geradlinig laufen und zum Oberrand genau recht-
winkelig stehen, so Fol. 6b, 7a, 9b, 22b, 30a, 60a, 61a, 62a, 66a, eine
Form, die erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts sich weiter ver-
breitet hat5). Der allgemeine Gebrauch des Kragenherseniers ferner,
das an der Beckenhaube hängt, dürfte kaum vor 1350 beginnen"). Die
Bilder setzen ihn voraus. Die Endgrenze der Entstehungszeit für D lässt
sich nur aus ihrem Verhältnis zur Wolfenbütteler Handschrift bestimmen,
deren Vorlage D war. Hiernach können wir D nicht nach 1375 ansetzen.
Heimat von D. Auch beim Ermitteln der Heimat von D sind wir auf Schluss-
folgerungen angewiesen. Die Mundart, wie sorgsam auch der Schreiber
die Sprachformen seiner Vorlage wiederholt haben mag, weist auf Ober-
sachsen. Aber es fehlt auch nicht an deutlicheren Fingerzeigen dafür,
dass D im Meissen'schen, wenn nicht gar in der Stadt Meissen selbst
gefertigt sei. Zweimal begegnen wir an ausgezeichneter Stelle, bei der
Heerschildordnung Fol. 4 b, 57 b als einem Beispiel für den vierten Heer-
schild dem Wappen der Burggrafen von Meissen7), das dem der Mark-
grafen von Meissen (dem Repräsentanten des dritten Heerschildes) folgt. Eben-
dort erscheint als Beispiel des fünften Heerschildes das Wappen der Herren
von Colditz8). Das will besagen: Der Burggraf von Meissen hat ein Lehen
vom Markgrafen, und Einer von Colditz hat ein Lehen vom Burggrafen
von Meissen genommen. Die andern von D unabhängigen Bilderhand-
schriften zeigen an den entsprechenden Stellen weder das burggräfliche
noch das Wappen der Colditz. Der Zeichner von D also hat obige Bei-
spiele in die Illustration eingeführt. Er hat sie nicht erfunden, sondern der
Wirklichkeit entnommen. Denn in der That hatten im 13. und 14. Jahrhundert
die Meissener Burggrafen Lehen von den Markgrafen") und zwischen den
Burggrafen und dem Geschlecht von Colditz bestanden ebenfalls seit
dem Ausgang des 13. Jahrhunderts verschiedene nahe Beziehungen.
1294 und 1296 beteiligten sich der Burggraf Meinher von Meissen und
Heinrich (d. Ä.) von Colditz gemeinsam an Geld- und Pfandgeschäften10).
Timo und Heinrich, Söhne jenes Heinrich von Colditz, waren bis 1328
vom Burggrafen Hermann III. mit dem Dorf Pausitz belehnt11). Mit einer

*) Eine Tiara mit 3 Kronen findet sich 1362 in Cgm. 6 Fol. 23a. Aber sonst er-
scheint dort die Tiara nur mit einem circulus und titulus Fol. 35b, 37a, 83b, 97b u. s. w.

-) Über diese Handschrift siehe Bethmann im Archiv für ältere deutsche Qeschicht.sk.
IX 562—574, Sighart Geschichte der bildenden. Künste in Bayern 145, J. Schlecht Zur
Kunstgeschichte des Bisthums Eichstätt 1888 S. 17.

3) Auf dem bekannten Grabmal des Erzbischofs Peter von Aspelt zu Mainz (nach
1320) fehlt noch die Einbiegung.

4) Siehe die Reproduktionen in Eichstätts Kunst (1901) hinter S. 44, 48, 52, 56, 64,
72, 76, 80 und auf S. 10, 12.

5) „Auf Siegeln und Denkmälern" soll sie nach F. K. Fürst zu Hohenlohe-
Waldenburg Das herald. Pelzwerk (1867) 60 „erst gegen Ende des 14. Jahrh." begegnen.

fi) Vergl. Bö heim Waffenkunde 139 und die Abbildungen von Grabmälern bei
Jos. v. Hefner Trachten, Kunstwerke und Geräte Tal 170, 172, 175, Essen wein a. a. O.
Taf LXX No. 1, LXXVIII.

7) Vergl. die Siegel in Codex dipl. Saxoniae Regiae II 4, Taf. I, ferner Seyler
Geschichte der Heraldik 117.

8) Vergl. die Grabplatten im Dom zu Meissen bei: Ebert Der Dom zu Meissen
108/109, 114/115, ferner Siebmacher (Mülverstedt) VI 6 S. 32 und Taf. 20.

9) Märcker Das Burggrafthum MeissenV300, 310, viele Belege S. 163-219, 240 f., 248.

10) Märcker a. a. O. 434 , 436. In der Umgebung des Burggrafen erscheint
Heinrich d. Ä. von Colditz auch in Cod. dipl. Sax. R. II 1 S. 246 (a. 1294), 283 (a. 1312),
Märcker 420 (a. 1282), 433 (a. 1293).

11) Märcker a. a. O. 450. In der Umgebung Hermann's erscheinen die Beiden
auch schon 1316, Cod. dipl. II 1 S. 295.

Schwester jener Beiden, Wilburg (f 1336), war Burggraf Hermann vermählt,
während ihr Bruder Witigo (II.) den bischöflichen Stuhl zu Meissen inne
hatte (1312—1342)1). Auch sonst aber verrät gerade der Illustrator von
D eine nähere Bekanntschaft mit Meissen. Er zuerst symbolisiert Fol. 33a
den Johannistag durch ein Bild Johannes des Täufers, wozu er einen Typus
(Attribut das Lamm in der Scheibe) benützt, der zwar oft genug, auch in
der sächsischen Plastik, vorkommt, aber ganz besonders mit dem in den
Meissener Bischofssiegeln2) und einer Statue im Meissener Dom3) (ca. 1291)
übereinstimmt. Der Illustrator von D ist ferner der Erste, der unter dem
hl. Urban (von II 58 § 2) nicht den Papst und Märtyrer Urban I., sondern
den gleichnamigen Bischof von Langres versteht und den Heiligen als
solchen darstellt. Nur der Kalender der Meissener Diözese aber, nicht der
von Naumburg, von Merseburg, von Magdeburg, widmet den 25. Mai dem
Bischof statt oder doch neben dem Papste4). Dazu nehme man endlich
Fol. 45a, wo unter den Schilden der Fahnenlehen allein der von Meissen
mitten aus der Reihe heraus in Gold angelegt ist. Ein nahes Interesse der
Hersteller des Codex an Meissen äussert sich auch hier.

Zuerst nachweisbar ist der Codex D in der Bibliothek des Kurfürsten Schicksale von
August I. von Sachsen, und zwar vor 1574. Die ,,Registratur der bucher
in des Churfursten zu Saxen liberey zur Annaburg 1574" Fol. 83 erwähnt:
,,329 Ein gar alter Sachsenspigel auf pergament geschrieben und mit alt-
väterischen Figuren gemalt, welcher noch Eck von Repchens gewest sein solle"*).
Seitdem ist der Codex in der kurfürstlichen Bibliothek geblieben. In ihrem
,,Museum quartum Philosophicum et Poeticum" sah ihn Philipp Hainhofer
1629: ,, Hierüber sein noch zu sehen . . .. 3) der Sachsen Spiegel gar alt auf
pergamen in folio geschriben vnd mit vilen historischen figuren gemahlet, ist
sehr antiquisch vnd wol zu sehen'"''). Die Signatur war später Nr. 138.
Dass die Handschrift ca. 1710 - 1733 neu eingebunden wurde, ergiebt sich
aus dem Monogramm der Decke. Dass sie aber schon vorher, und zwar
schon im Mittelalter eingebunden war, zeigen Löcher und Einschnitte im
Rücken der Bogenlagen. Die schwersten Schicksale, welche die Handschrift
D betroffen haben, bestanden in dem Verlust der schon oben bezeichneten
Bogen, wovon allerdings nur einer Illustrationen enthielt. Diese Bogen
fehlten, wie wir sehen werden, wahrscheinlich schon längere Zeit bevor
der Codex den neuen Einband erhielt. In seinem ,,Tractat von den sächsi-
schen Rechtsbüchern" 1747, der auf Vorarbeiten seit 1738 beruht, erwähnt
Chr. U. Grupen der Defekte (Spangenberg Beytr. 13). Auch sonst ist
die Erhaltung der Handschrift keine tadellose. Dem Messer des Buchbinders
sind zuweilen Stücke der Bilder und handschriftliche Bemerkungen auf den
äussern Blatträndern zum Opfer gefallen. Das Pergament ist stellenweise
vergilbt und abgegriffen oder auch angerissen und durchlöchert, worüber
eine Anzeige von Eberth vom 10. III. 1837 auf der Rückseite des Vorsetz-
blattes Auskunft giebt. Verschiedene Risse sind mit Papier verklebt. Wurm-
stiche gehen durch den Falz der Lagen. Mehrfach finden sich Spuren von
Feuchtigkeit, die den Abdruck der Schrift auf der gegenüberliegenden
Seite bewirkte. So namentlich Fol. lb mit 2 a, wo der Schriftabdruck nur
dadurch ermöglicht war, dass die inneren Bogen der Lagen fehlten. Dieses
legt den Schluss nahe, dass die Defekte über das 18. Jahrhundert zurück-
reichen. Mit schwarzer Tinte hat ein späterer Benützer die Kapitelein-
teilung nach einem andern Text korrigiert. Andere und minder berufene
Hände haben sich durch Kritzeleien verewigt. Die Farben der Bilder sind
oft nachgedunkelt oder ausgeblasst. Am meisten gelitten hat der Gold-
belag in Bildern und Initialen. An mehreren Stellen ist er abgefallen oder
durch Oxydation geschwärzt. Um 1750 war die Handschrift in den Händen
von Chr. U. Grupen, der zur Ergänzung der Lücken im Wolfenbütteler
Bildercyklus Bausen aus ihr nehmen liess (worüber unten S 14). Gegen
1820 befand sie sich bei F. Kropp zu Heidelberg, und bei ihm nahmen
die Herausgeber der Deutschen Denkmäler einige Umrissbausen aus Fol. 40b,
41a, 32b, 64b, die sie a. a. O. auf Taf. XXXIII, XXXIV in Steindruck ver-
öffentlichten. Nicht spurlos, wenn auch ohne jede Schädigung ging an
dem Codex seine gegenwärtige Reproduktion vorüber. Um ihretwillen
musste er auf längere Zeit nach München geschickt werden, wo ihn die
kgl. Universitätsbibliothek in Verwahrung nahm. Bei den photographischen

*) Märcker a. a. O. 72 f., 73. Die Beziehungen derer von Colditz zum bischöf-
lichen Stuhl von Meissen gehen noch viel weiter zurück. Schon 1278 wurde Heinrich
von Colditz vom Bischof mit der Vogtei zu Mügeln belehnt, Cod. dipl. II 1 S. 188 f.
Zwischen 1296 und 1312 hatten Heinrich und Timo von Colditz Auslagen und Aufwände
im Dienst des Bischofs, a. a. O. 309. Diese Beziehungen dauerten auch nach Bischof
Witigo's II. Tod fort. 1347 war ein Witigo von Colditz Domherr, a. a. O. 365.

2) Cod. dipl. Sax. II 2 Taf. III.

s) Abgeb. bei Hasak Geschichte der deutschen Bildhauerkunst S. 81 (Abb. 73b).

4) Grotefend Zeitrechnung d. deut. Ma. II 1 S. 119, 136, 132, 110.

5) Falkenstein a. a. O. 373; auch Ebert a. a. O. 161.

fi) Des Augsburger Patriciers Philipp Hainhofers Reisen nach Innsbruck und Dresden
hersg. von O. Doering (Quellenschriften f. Kunstgeschichte NF. X) 184.

12 —
 
Annotationen