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Eike <von Repgow>; Amira, Karl von [Editor]
Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels (Band 1) — Leipzig, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.22098#0020
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eine Textkolumne auf der Vorderseite eines Blattes dort einer Textkolumne
auf der Vorderseite eines Blattes hier entspricht, die dem Sachsenspiegel-
Text gewidmete Blätterzahl in H also einst gleich gross gewesen sein muss
wie in D. Beachtung verdient insbesondere, dass auch in H wie in D
das Lehenrecht mit einer neuen Bogenlage beginnt, obwohl auf der vor-
ausgehenden noch 1 '/2 Seiten frei waren, die erst nachträglich in H teilweise
zur Aufnahme der sog. Vorrede von der Herren Geburt verwendet wurden.
Sprache Die Sprache stimmt in allem Wesentlichen mit der in D überein. Bemerkt

werden mag die häufigere Erhaltung von unbetontem e, von ant- (statt
ent-), von nach (statt noch), von claget, saget, tregit (statt clait, sait, treit),
von inlautendem z (genozen, gelazen), ferner an mundartlichen Kennzeichen
des Schreibers die Bevorzugung von ader vor oder, von gener vor jener.
Illustration. \x/je die räumliche Anordnung des Textes, so ist auch die der Bilder

die gleiche wie in D. Die Gleichheit geht so weit, dass, wo eine Dar-
stellung in der einen Handschrift sich über den Rand unter der Textkolumne
erstreckt, sie es regelmässig auch in der andern Handschrift thut. In um-
gekehrter Ordnung stehen auf Fol. 12b die Bilder zu Kap. LXXI1 (Teutsche
Denkmäler Tai XIII 6, 7). Die Bilder sind wie in D in horizontalen Streifen
von wechselnder Höhe angeordnet, deren gewöhnlich fünf oder sechs in
einer Kolumne Platz gefunden haben. Dem kleineren Format des Codex
gemäss sind sie im allgemeinen etwas niederer als in D. Wagrechte
Linien, aus freier Hand mit brauner Tinte gezogen, trennen auch in H die
einzelnen Streifen. Zur Trennung verschiedener Szenen innerhalb eines
Streifens dienen senkrechte Doppellinien, deren Zwischenraum gelb, rot
oder grün gefärbt ist. Die Bilder selbst bestehen wie in D aus illuminierten
Federzeichnungen. Aber auf dem ersten Blick fällt im Gegensatz zu D
die Ungeschlachtheit der Zeichnung auf. Unter dem Druck der schweren
Hand, welche die Umrisse zog, hat sich die Feder oft gespaltet. Zu einem
Nacharbeiten mit spitzerer Feder wie in D wurde hier niemals der Ver-
such gemacht. Der Gliederung des Antlitzes, worauf H übrigens genauer
eingeht als D, den Haaren, dem Gefälte bringt der Zeichner nur geringes
Verständnis entgegen. Unbemalt blieben nicht nur die Hintergründe, son-
dern auch die Gesichter vollständig, die Hände, das Herrenschapel, meist
auch die Haare der Personen. Zur Charakterisierung der Hautfarbe nackter
Körper ist nur Fol. IIa, b, 13b, 18b ein schwacher Anlauf genommen.
Im Übrigen kam der Illuminator von H mit einer viel ärmlicheren Palette
aus als der von D. Ausser Gold, das er in der Regel nur zu Nimben,
zur Tiara des Papstes, zur Krone und zum Szepter des Königs verwendete'),
gebrauchte er nur Mennige, Zinnober, Permanentgrün, lichten Oker und
Kobaltblau, und auch letzteres zum Färben von Tuchgewändern nur ein-
mal (Fol. 7b). Da diese Farben stets ungebrochen aufgetragen sind, so
erweckt die Illumination einen heraldischen Eindruck, der noch durch die
Musterung der Gewänder in schmalen Querstreifen verstärkt wird. Es ist
dieselbe, die sich auch an den Statuen in der Münstervorhalle zu Freiburg
i. B. (ca. 1275—1325)2) und teilweise an denen des Paradieses am Dom zu
Magdeburg erhalten hat. Sie vornehmlich mit ihrer vielfachen Kombinations-
möglichkeit dient dazu, die Armut des Farbenvorrates zu überwinden. Bei
den Gewändern bestimmter Personen ist systematisch eine andere Färbung
durchgeführt als in D. Die Gebäude sind in H noch bunter bemalt als
dort. Ein paarmal hat der Illuminator die Zeichnung ergänzt, Fol. 21 b No. 4
(Teutsche Denkmäler Taf. XXIV 1), wo er mit grüner Farbe Gras und Kreuz,
S und Fol. 26b No. 23), wo er ebenfalls in grüner Farbe die Herrenschapel
von zwei Reitern hinmalte. Korrekturen über ausgewaschenen Stellen finden
sich nur dreimal (siehe Mone Teutsche Denkmäler Sp. 74). Die nächste
Verwandtschaft in Zeichnung und Kolorit mit H zeigen unter deutschen
Bilderhandschriften wohl die auch ungefähr gleichzeitigen Bruchstücke des
Wälschen Gastes auf der Universitätsbibliothek zu Erlangen (Ms. 1460t 40)4),
die selbst wieder mit der Heidelberger Handschrift dieses Gedichtes (Cod.
Pal. 389) nächst verwandt sind. In den Erlanger Bruchstücken verrät sich
genau dieselbe Verständnislosigkeit des Kopisten für die Haar- und die
Gewandfalten wie in H. Die Färbung beschränkt sich ebenfalls auf blosses
Antuschen der Flächen unter engbegrenzter Auswahl der Farben. Die
Hauptunterschiede in den Erlanger Bildern bestehen in einem etwas
grösseren Format, in der dunkeln Färbung der Haare und der schreiend
roten Tüpfelung der Wangen. Nächst jenen Erlanger Fragmenten Hessen
sich auch noch die elsässischen (ca. 1293) der Forrer'schen Sammlung5)
vergleichen, und in weiterer Ferne etwa die Gothaer Handschrift des

x) Kopp a. a. O. I 66 hält das stark oxydierte Metall für Silber.

-) Hier allerdings seit den achtzigern Jahren in Ölfarben erneuert.

8) In Farben bei Fürst Hohenlohe-Waldenburg Der Rautenkranzlaä. II No. 14,15.

4) Diese Fragmente, die v. Oechelhaeuser Der Bilderkreis zum wälschen Gaste
(1890) unbekannt blieben, stammen aus einem Codex des Klosters Heilsbronn, wo er zum
Einbinden von Büchern verwendet wurde. Erhalten sind 20 Bilder.

5) R. Forrer Unedierte Federzeichnungen etc. 1902 Taf. 46 f.

Wälschen Gastes1). Der Inhalt der Bilder in H entspricht dem von D im
grossen und ganzen. Im einzelnen bestehen zahlreiche und erhebliche
Verschiedenheiten, sowohl in kompositioneller als sachlicher und kostüm-
licher Beziehung, vorüber Geneal. 330—338, 343 f., 353—361, 381 f.
Mit den Wappen verhält es sich ähnlich wie mit denen in D. Die
Tinkturen sind sogar noch nachlässiger behandelt. Das sog. Wernigeroder
Wappen zeigt einmal weisse Fische in rotem Feld, dann aber rote Fische
in weissem Feld. Ein drittes Mal schwankt die Farbe des Feldes zwischen
weiss und gelb. Das sog. Regensteinische Wappen hat das rote Gehörn
einmal in weissem, ein andermal in gelbem Feld (Fol. 3a, b, 18a). Eine
geradezu phantastische Tinktur hat der Rautenschild (5a No. 3), von dem
S. 10 die Rede war. Auf Fol. 26a No. 4 sind zwei Schilde trotz vorge-
zeichneter Wappenfiguren vollständig rot angestrichen. Bestimmbar sind
Brandenburg, Meissen, Thüringen, Landsberg, Sachsen, Anhalt, das Reich2).
Die drei roten Räder Fol. 14a No. 3 dürften den Steinau im Vogtland
gehören, der Schild Fol. 16b No. 2 rechts denen von Liebenau3). Gewisse
Wappen zeigen andere Tinkturen als in D, so z. B. Fol. 5b No. 1, wo
die Teilung gelbgrün, vergl. mit D Fol. 63b No. 1 (oben S. 10)
Andere findet man überhaupt nur in H wie z. B. ausser dem Steinau-
schen und Liebenau'schen das mit den gepfauten Balken und das
mit den Blättern Fol. la (vergl. mit D Fol. 57a). — Buchstaben wie in
D finden sich auch in den meisten Bildern von H. Hier aber waren sie
nicht mit der Feder vorgezeichnet. Auch hat sich der Miniator anders als
der von D mit den Bildbuchstaben seiner Vorlage begnügt. Näheres in
Geneal. 361 f. In einigen Bildern hat er die Buchstaben sogar gänzlich
ausgelassen, ohne dass dafür die Kapitelnummer eintrat.

Eine ungefähre Vorstellung von der Illustration der Handschrift erhält Reproduktionen
man aus der lithographischen Reproduktion, die von ihren Bildern in
32 Tafeln 2° unter dem Titel Teutsche Denkmäler im Jahre 1820 von Batt,
v. Babo, Eitenbenz, Mone und Weber zu Heidelberg veröffentlicht
wurde4). Aber abgesehen davon, dass sie nur die schwarzen Umrisse
wiedergiebt, wodurch die Darstellungen viel undeutlicher erscheinen, als
sie in Wirklichkeit sind, leidet diese Publikation an sehr wesentlichen
Fehlern. Von Taf. IX an verlässt sie die Anordnung der Bilder. Deren
Flächen misst sie oft zu gross aus. Bei denjenigen Illustrationen, die
unter der Textkolumne stehen, Iässt sie fast niemals die wirkliche Ver-
teilung des Raumes zwischen Bild uud Text erkennen. Etliche Bilder
reisst sie auseinander, und bei andern macht sie nicht ersichtlich, wie eine
Darstellung in die Fläche einer andern hineinreicht. Die Bildbuchstaben
lässt sie mehrmals weg. Viele Gegenstände zeichnet sie falsch, einige
unvollständig. Den Mangel der Illumination haben die Herausgeber durch
eine „Farbentafel" minder empfindlich zu machen gesucht, welche einzelne
Figuren in Handkolorit wiederholt. Aber dieses Kolorit ist, wenigstens in
den mir bekannten Exemplaren, fast durchweg verfehlt. — 34 Facsimiles
in vollständig kolorierten Stichen versuchte U. F. Kjopp zu geben in
Band I seiner Bilder und Schriften (1819). Janitschek Geschichte der
deutschen Malerei 417 spendet ihnen das Prädikat „gut". Er kann sie nicht
mit dem Original verglichen haben. Sonst wäre ihm nicht entgangen, was
schon die Herausgeber derTeutschen Denkmäler rügten, dass die Kopp'schen
Nachbildungen weder in der Farbe noch in der Zeichnung verlässig sind.
Genau denselben Tadel verdienen die Proben bei J. v. Hefner Trachten,
Kunstwerke und Geräte Taf. 111, sowie die Nachbildung von Fol. 22a No. 2
(Wappen der Fahnenlehen) bei Posse Die Siegel der Wettiner II Sp. 9/10.
In der Farbe nicht treu sind auch drei Proben bei Fürst Hohenlohe-
Waldenburg Über den Gebrauch der Helmzierden Taf. II.

Über das Alter von H gehen, obgleich diese Handschrift erst im Aiters-
19. Jahrhundert bekannt wurde, die Ansichten beinahe ebenso weit aus- scl,atzun»en-
einander wie über das von D. A. Friedrich Geschichte der nach Rom
entführten Heidelberger Bibliothek (1816) 55 meinte der Codex sei „mit den
Spiegeln selbst fast gleichzeitig und wahrscheinlich im 13. Jahrhundert selbst
geschrieben". U. F. Kopp a. a. O. 158f. setzte ihn vor 1266 an, und mit
Kopp erklärten sich für einverstanden K. F. Eichhorn in den Göttinger
Gel. Anzeigen 1819 III 1682 und der ungenannte Rezensent in der
(Halle'schen) Allgemeinen Literatur-Zeitung 1820 No. 16 Sp. 124f. Der
Rezensent im Hermes II 1820 S. 199 behauptete sogar, Kopp habe „wahr-
scheinlich gemacht, dass die Handschrift zwischen 1218 und 1220 gehöre",
und auch F. J. Mone, der in den Teutschen Denkmälern Sp. 71 den von
Kopp eingeschlagenen Weg weiter verfolgte, scheint das Alter von H bis
ins Jahr 1220 hinaufrücken zu wollen. 1836 behauptete er in seinem An-
zeiger für Kunde der deutschen Vorzeit V Sp. 178 sogar, die Handschrift

x) Proben bei v. Oechelhaeuser a. a. O. •

2) Fol. 22a No. 2, 1 a No. 2 (farbig bei Kopp I 111, 62).

8) Vergl. das Siegel v. 1269 bei Seyler Geschichte der Heraldik 174.

4) Diese Publikation ist gemeint, wenn fortan H nach Tafeln citiert wird.

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