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Eike <von Repgow>; Amira, Karl von [Editor]
Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels (Band 1) — Leipzig, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.22098#0021
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sei „zu Anfang des 13. Jahrhunderts" entstanden. Unter Kopp's und
Mone's Einfluss stehen noch Woltmann Geschichte der Malerei I (187Q)
353, der sie als „frühes Beispiel" der Buchmalerei im 13. Jahrhundert nennt,
H. Janitschek, der a. a. O. 117 keinen Grund gegen die Datierung um
1220 findet, O. Ebe, der im Deutschen Cicerone 111 (1898) 33 die Entstehung
„gegen 1220" für wahrscheinlich erklärt, Fr. Hottenroth, der in seinem
Handbuch der deutschen Tracht 231 weiss, die Handschrift sei „im Jahre
1230" entstanden1). Vorsichtiger war doch schon F. Wilken, der sich in
seiner Geschichte der Heidelberger Büchersammlungen 371 wenigstens mit
dem 13. Jahrhundert als Rahmen für die Entstehungszeit begnügte, dann
E. Spangenberg, der in den Beiträgen zu den teutschen Rechten (1822) 13
es für „zu gewagt" erklärte, die Handschrift „unbedingt in die erste Hälfte
des 13. Jahrhunderts oder wohl in noch frühere Zeit hinaufzurücken". Erst,
doch auch bald nach 1253 soll nach Sachsse Zeitschrift für deutsches
Recht XIV (1853) 39ff. 43 der Codex gefertigt sein. Fürst F. K. zu Hohen-
lohe-Waldenburg setzte ihn zuerst (Der sächsische Rautenkranz 1803 S. 1)
in das Ende, später (Über den Gebrauch der heraldischen Helmzierden 1868
S. 22) in die Mitte des 13. Jahrhunderts. Dem „Ende des 13. Jahrhunderts"
oder auch dem „13.—14. Jahrhundert" wird er zugewiesen von Posse
a. a. O. Sp. 8, 24. Ferd. Nietzsche schrieb ihn in der Allgemeinen Literatur-
Zeitung 1827 No. 295 Sp. 706 der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zu,
und O. Horneyer, der gleichzeitig in den Jahrbüchern für wissenschaftliche
Kritik 1827 Sp. 1333, dann in seiner Ausgabe des Sachsenspiegels v. 1835
S. XXII starke Bedenken gegen Kopp's Ansicht geäussert, wiederholte in
seiner Ausgabe des Lehenrechts von 1842 I 19 die Zeitbestimmung
Nietzsche's, wogegen er in seinen Deutschen Rechtsbüchern 1856 S. 107
das „13./14. Jahrhundert" als Entstehungszeit angab und in der 3. Auflage
des sächsischen Landrechts 1861 S. 42 sich darauf beschränkte, sie ins
14. Jahrhundert zu setzen. K. Fr. Eichhorn hat, als er sich in seiner
Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte II4 (1835) 291 zum zweiten Mal über
H äusserte, sehr entschieden gegen die Datierung aus dem 13. Jahrhundert
Stellung genommen. Dabei Hessen es O. Stobbe a. a. O. 388 und
K. Bartsch a. a. O. bewenden. A. Werneburg im Archiv für sächsische
Geschichte IV (1878) 129f. beruft sich auf heraldische Gründe, wesswegen
die Entstehungszeit jedenfalls nach 1300 anzusetzen sei.
Altersmerkmale. Davon nun, dass H auch nur der Zeit nach der Urhandschrift des
Sachsenspiegels nahe stehe, kann schlechterdings keine Rede sein. Der
Text ist nicht nur eine fehlerhafte Abschrift, sondern erweist sich auch an
Gehalt und Einteilung ebenso als Glied einer jüngeren Klasse wie der von
D (Geneal. 349—352, 376). Der Stil der Zeichnungen, so roh diese auch
sind, gehört sichtlich einer viel jüngeren Zeit an als derjenigen der sächsisch-
thüringischen Malerei, die uns Haseloff kennen gelehrt hat. Man vergleiche
nur z. B. die Bein- und Fussstellungen, die Haare der menschlichen Figuren.
Die Schriftzüge deuten eher auf das 14. als auf das 13. Jahrhundert, und
selbst Kopp hat sich a. a. O. 155 diesem Eindruck nicht entziehen können.
Es sei in dieser Beziehung insbesondere auf das rechteckige Schema hin-
gewiesen, in das sich alle Buchstaben, selbst a, v, g, einordnen, sowie
darauf, dass i und z in H viel regelmässiger die Unterscheidungsstriche
haben als in der ältesten Handschrift des Freiberger Stadtrechts, die um
1300 gefertigt ist2). Auch die verwahrlosten Schreibregeln scheinen H
näher an D heranzurücken. Doch ist einzuräumen, dass der Schriftcharakter
für H einen Altersvorzug um etliche Jahrzehnte begründen dürfte. Auch
in dieser Hinsicht verdient der Unterscheidungsstrich auf i, der noch
fast ungekrümmt ist, Beachtung. Nicht zu Gunsten eines erheblich höheren
Alters lassen sich gewisse Altertümlichkeiten des Kostüms und der Heraldik
in den Bildern verwerten, da diese aus der Vorlage herrühren. Hingegen
verbieten es gewisse moderne Züge Beider, die Anfangsgrenze der Ent-
stehungszeit sehr hoch über 1300 hinaufzurücken. Ungefähr lässt sie sich
aus den Wappen von Meissen und Sachsen, wie sie Fol. 22a No. 2
Taf. XXIV 4, Kopp I 111) gemalt sind, ermitteln. Der Löwe im Wappen der
Markgrafschaft Meissen kann keinesfalls über 1248 und dürfte schwerlich
über 1261 zurückgehen3). Das Wappen des Herzogtums Sachsen besteht
in H aus einem halben Adler und dem halben ballenstädtischen Schild mit
schräg über den ganzen Schild gelegtem Rautenkranz. Auf Siegeln und
Münzen ist aber ein derartiges sächsisches Wappen vor 1261 nicht nach-
weisbar1), und es scheint in der That auch um diese Zeit noch wenig be-

1) Vergl. auch den Katalog der Lipperheide'sehen Kostümbibliothek 1 (1896—1901) 159.

2) Vergl. das Facsimile bei Er misch Das Freiberger Stadtrecht 1889 und den Heraus-
geber daselbst S. XXXIX f.

3) A. L. J. Michelsen Über die Ehrenstäche etc. 1854 S. 11. Derselbe Die älteren
Wappenschilde der Landgrafen von Thüringen 1857 S. 25. Posse a. a. O. II Sp. 12.

4) Fürst zu Hohenlohe-Waldenburg Der sächsische Rautenkranz S. 2. C. Ph.
Schönemann Zur vaterländischen Münzkunde 1852 S. 53 nebst Taf. V 74. Posse a. a. O.
II Sp. 24 nebst Taf. XXVII 4ff.

kannt gewesen zu sein, da weder das Tumei v. Nantheiz noch die Züricher
Wappenrolle (ca. 1300) den sächsischen Rautenkranz kennen. Aber noch
weiter gegen das Ende des 13. Jahrhunderts hin führt uns die Beobachtung,
dass in H der Rautenkranz nicht wie auf älteren Siegeln schräglinks,
sondern schrägrechts geht. Denn diese Richtung hat er auf den Siegeln
und Münzen erst um 1295 eingeschlagen1). Sollte man aber hierauf kein
Gewicht legen wollen, so findet sich doch auch in Kostüm und Waffen
mancherlei, was für dieselbe Zeit spricht. Dahin rechne ich die lange
Haartracht, die wenig zu den bekannten Angaben bei Seifried Helbling über
das kurze Haar der Sachsen und Thüringer2) passen will, dann die allgemeine
Verbreitung der quer- und schräggestreiften Männerröcke, die der Hand-
schrift zufolge schon in allen Volkskreisen um sich gegriffen hat'), ferner
die viermalige Aufschlitzung des Waffenrockes unterhalb des Gürtels
Fol. 26a No. 4 (Taf. XXVIII 9) und seine Ausstattung mit Ärmeln ebenda
und Fol. 23b No. 3 (Taf. XXVI 3)4), die gewölbte Kuppe des Topfhelms
ebendort und Fol. IIb No. 5 (Taf. XII 8)5), die Helmdecke a. a. O."), das
Vorkommen der Helmbarte mit Haken und langem Schaft und der flämischen
Picke Fol. IIb, 12a (Taf. XII 9, XIII l)7) die allgemeine Verbreitung des
Radspornss). Auch darauf ist hinzuweisen, dass der Thron in Fol. 22a
No. 5 (Taf. XXIV 6) mit seiner hohen halbkreisförmigen und krabben-
besetzten Rücklehne und den beiden Fialen sein Vorbild in dem Thron-
siegel von K. Adolf (ca. 1292 ff.) zu haben scheint {Geneal. 382). Kaum
vor 1300 endlich dürfte in sächsischen Landen die Form des Bischof- und
Abtstabes geläufig gewesen sein, wie wir sie in Fol. 18a No. 3, b No. 3,
21a No. 1, 22a No. 3 (Taf. XX 4, 8, XXIII 4, XXIV 4) antreffen, nämlich
mit sichelartig ansetzender Krümme. Der gerade Ansatz derselben blieb
in Innerdeutschland bis tief ins 14. Jahrhundert die gewöhnliche Form5').
Dem sichelartigen Ansatz wird man auf Denkmälern vor 1350 nur selten
begegnen. Unter den Münzen der sächsischen Bistümer und Abteien bei
v. Posern Klett Sachsens Münzen im Ma. zeigen ihn nur die Erfurter
Freipfennige des 15. Jahrhundert (Taf. VII 19—27)10). Möglicherweise
müssen wir sogar noch um l1^ Jahrzehnt über 1300 mit der Zeitbestimmung
herabgehen, und zwar gerade wegen jener dreimal11) in den Bildern auf
Urkunden vorkommenden Worte: F. de grä. Romano^ Rex 7 semp, aus
der man seit Kopp immer wieder frischweg auf die Zeit Friedrich's II.
geschlossen hat. Wenn derjenige, der die Worte einzeichnet^ hat, über- L
haupt an einen bestimmten Friedrich dachte, so ist höchst unwahrscheinlich,
dass er den zweiten meinte. Denn nicht nur zur Zeit von H, sondern auch
zu jener, der die Urhandschrift frühestens angehören konnte, hiess Fried-
rich II. längst Imperator Romanorum. Nach ihm kommt als Romanorum rex
nur noch Friedrich der Schöne (gekrönt 25. XI. 1314) in Betracht. Und

J) Fürst zu Hohenlohe-Waldenburg a. a. O. 3, J. G. Böhme Sächs. Groschencab.
1765 Taf. II 18, 20, 22. Posse a. a. O. Sp. 26 nebst Taf. XXVIII 2, 1, 3-6, XXVII
4—6. v. Mansberg im Neuen Archiv für sächsische Geschichte VI 85.

2) Helbling herausg. v. Seemüller XIV 18f, I 275ff., III 219—224 (ca. 1282—1296).
Vergl. auch Enenkel v. 27464.

3) Damit vergl. man die Kleiderfarben in Handschriften die sicher dem 13. Jahr-
hundert angehören wie Clm. 3900 (Katharinenlegende), Cgm. 51 (Tristan), Cgm. 18
(Parcifal).

4) Dazu vergl. Hottenroth a. a. O. 286, 285, A. Schultz Höf. Leben1 II 59 n. 2.

5) Dazu vergl. W. Boeheim Waffenkunde 29, A. Schultz a. a. O. 67. Hotten-
roth a. a. O. 288, 428f., C. v. Mayer, Heraldisches ABC-Buch 111, Demay Le Costume 133f.

*) Dazu vergl. Fürst zu Hohenlohe-Waldenburg Hel/nzierden S. 12 n. 7,
Schultz a. a. O. 76f.

7) Dazu vergl. Boeheim a. a. O. 330, Schultz a. a. O. 210, Hottenroth
a. a. O. 297.

8) Dazu vergl. Boeheim a. a. O. 224f.

9) Meissen: Standbild des hl. Donatus im Domchor (bis 1411), Grabplatten bei
Ebert Der Dom zu Meissen 103, 105, 108/109, Siegel (bis 1375) im Cod. dipl. Sax. T. II 1
Taf. I, II, T. II 2 Taf. III 1, 2, 4—9. — Naumburg: Siegel (bis 1360) bei Lepsius
Geschichte der Bischöfe von Naumburg I Taf. II—VII, Ders. Die Ruinen der Rudelsburg
Taf. V. — Merseburg: Siegel (bis 1340) in Geschichtsquellen der Provinz Sachsen XXVI
Taf. XII, XV. — Halberstadt: Siegel (bis 1358) in Publicationen der preussischen Staats-
archive Bd. XXI. — Hildes heim: Siegel (bis 1446) in Urkundenbuch der Stadt Hildesheim
VII, Publicationen der preussischen Staatsarchive XXXV. Durchweg mit geradem Ansatz
erscheint die Curvatur auf den Tafelbildern der Kreuzkapelle zu Karlstein (ca. 1355) bei
Neuwirth Ma. Wandgemälde Taf. XXXIII, XXXVI, XXXVII, XLII, XLIII, ferner auf
allen Bildern der Eichstätter Bischöfe im Pontificalc Gundecharii bis 1344 (Eichstätts Kunst
a. a. O.).

10) Siehe ferner die Grabplatte des Erzbischofs Otto von Hessen (f 1361) im Dom
zu Magdeburg bei Brandt Der Dom zu Magdeburg 1863 S. 102 und die Magdeburger
Siegel seit 1363 in Geschichtsqucllen der Provinz Sachsen XXVI Taf. III 4, IV 17; — die
Meissener Siegel seit 1357—66 in Publicationen der preussischen Staatsarchive XXVII Taf.
XVIII, Cod. dipl. Sax. II 2 Taf. III 3 (ca. 1375), — Halberstadt seit 1357 in Public, der
preussischen Staatsarchive XXVII Taf. XVIII 147; — die Eichstätter Bischofsbilder seit
1344—1355 im Pontificale Gundecharii a. a. O. S. 13 und Taf. S. 76/77.

") Fol. 17a No. 4, 5, 22b No. 2, Taf. XIX 4, 5, XXIV 9); 17a No. 5 farbig bei
Kopp I 158.
 
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