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Eike <von Repgow>; Amira, Karl von [Hrsg.]
Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels (Band 1) — Leipzig, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.22098#0027
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sentationen.

Auch der in der Ecke (= Tiefe) der Vorhölle gefesselt kauernde Teufel gehört sinnliche zu Sinnlichem in leicht fasslicher Beziehung steht, so dass es

einem in sächsischen Landen vertretenen Typus, eben dem mit dem Bogen- durch dieses vertreten werden kann. Damit betritt der Künstler den Weg

eingang1) an. Unter den Einzelfiguren kann die des Adam mit dem Blätter- der Symbolik.

büschel dem Sündenfallschema oder auch der Plastik entlehnt sein. Dass Diese Symbolik fand er nun zwar teilweise schon im Recht selbst vor. subjektive

die Gestalt Johannis des Täufers in D dem in Meissen schon früher reci- Allein in der Hauptsache hatte er sie sich erst zu erfinden. Wir müssen s>™b0,ik-

pierten Typus entspricht, wurde S. 12 bemerkt. Von den Margarethenbildern daher in unsern Bildern Symbolik des Rechts und Symbolik des

bei II 58 knüpft das in D wenigstens insofern an Überliefertes an, als Künstlers, objektive und subjektive Symbolik unterscheiden. Nur die

der Teufel, den die Heilige dort am Halse drosselt, wie öfters in der vor- letztere, nicht jene, die zur äusseren Erscheinung der rechtlichen Hergänge

ausgehenden thüringisch-sächsischen Kunstperiode als zweibeiniger und gehört, hat uns hier zu beschäftigen, wo vom Schaffen des Künstlers die

geflügelter Drache erscheint2). Aber auch der anthropomorphe Unhold in Rede ist.

H und O der wahrscheinlich aus X herstammt, hat gerade in seiner Be- Er bedient sich der einfachsten, ja primitivsten Mittel, weil er darauf

ziehung zu Margaretha einen Vorgänger in einem Hauptwerk der thüringisch- rechnen darf, in Verbindung mit dem Text bei Zeitgenossen Verständnis

sächsischen Schule, dem Elisabethpsalter zu Cividale (ca. 1200- 12173). zu finden, die von der Malerei nicht die Wiedergabe der Wirklichkeit der

Eine zweite Gruppe von Gelegenheiten, die eine Verwertung traditio- Erscheinung, sondern nur ein Zeichen davon verlangten und dafür auch

neller Kompositionen ermöglichte, bildeten einige im Text erwähnte recht- noch in der Wirklichkeit Zeichen von Aussersinnlichem erblickten, angefan-

liche Vorgänge, womit sich schon die kirchliche und seit einiger Zeit auch gen von drei aufgestreckten Fingern der Hand bis zum Monumentalbau,

die weltliche Kunst beschäftigt hatte, wie die Eheschliessung und der Voll- Darum kam ihm auch die objektive Symbolik des Rechts entgegen, indem

zug von Strafen. Mit Vorlage des Vergleichungsmaterials dem II. Band sie ihm Materialien darbot, die er bei der Ausbildung seiner subjektiven

vorzugreifen, würde jedoch ausser allem Verhältnis zu der hier angerührten Symbolik benützen konnte.

Frage stehen, weil die Darstellungen in unsern Sachsenspiegel-Handschriften Die Hauptsache aber war für ihn, dass er sich in Abbreviaturen Künstlerische
zu einfach sind, als dass ihre schematische Ähnlichkeit mit andern nicht bewegen durfte. Eine Szene genügte, wenn sie den Auszug aus derAbbreviaturen-
ebenso gut aus der Beobachtung des Lebens erklärt werden könnte wie Wirklichkeit auf die knappste Formel brachte. Von hier aus hält die
aus Entlehnungen. zeichnerische Interpretation des Rechtsbuches mit der älteren und teilweise
Belangreicher wäre vielleicht die Wiederverwendung gewisser Einzel- auch noch der zeitgenössischen Buchmalerei grundsätzlich daran fest, den
motive, die schon in der älteren Kunst vorkommen. Da sie jedoch mit Ort des Vorganges, soweit er unwesentlich, zu übergehen. Nicht einmal
der gesamten künstlerischen Manier eng zusammenhängt, wird sie auch den Boden, worauf die Figuren stehen, pflegt sie anzudeuten. Um so
erst in diesem Zusammenhang zu besprechen sein. wirkungsvoller, wenn sie einmal solche Andeutungen bringt, was aber ge-
Neue Themen, Überhaupt aber verschwindet die Menge derjenigen Zeichnungen, wobei wohnlich nur geschieht, wenn der Text es verlangt. Aufrechte Striche oder Reprä-
neuejt^nst- sich an formale Abhängigkeit denken Hesse, vor der Fülle von ganz und Ähren zu Füssen von Menschen zeigen deren Grundbesitz, insbesondere
gar neuen Themen, die der Text dem Illustrator stellte. Einerseits handelte auch ererbten an, D Fol. 6b No. 5, 7a, 8a, b, 9a No. 2, b No. 5, 12a
es sich um Hergänge und Zustände in ihren äusserlich erscheinenden Teilen. No. 3, 5, u. s. w.1), oder auch die Heimat D Fol. 28b No. I2). Wachsende
Es waren also zu zeigen die Menschen und ihre Thaten, ihr Grund und Boden, Ähren, angebunden an das Fussgelenk eines Menschen, bedeuten dessen
ihr Haus und Vieh, ihre Kleider, ihr Schmuck, ihre Waffen, ihre Geräte. Eigengut, D Fol. 84b No. 5, 85a No. 1, 2, 86a No. 2—4, b No. 4, und
Schon in diesem Bereich des rein Sinnenfälligen, war vieles in der Kunst Eigen überhaupt, wenn sie an einen Pfahl gebunden sind, D Fol. 84b
annoch unversucht. Anderseits forderten viele Bestimmungen, wenn sich No. 5. Ähren, von einer Kreislinie umschlossen, wobei man aber nicht mit
der Zeichner überhaupt einmal an sie heranwagte und das Bild nicht J. Grimm an einen hegenden Faden zu denken braucht, stellen ein Gut
gerade die Hauptsache übergehen sollte, auch die Versinnlichung von vor, dessen Besitz einem verschlossen ist, daher insbesondere das Objekt
Aussersinnlichem: von den spezifisch rechtlichen Beziehungen der Menschen eines „Gedinge", d. h. einer aufschiebend bedingten Belehnung, z. B. D
zu Menschen und Sachen, von ihren rechtlichen Eigenschaften, von dem Fol. 58b No. 2—4, 59a No. 1, 4, 62b No. 5, 63a No. 4, 75a No. 3, 53).
Inhalt der Willensäusserungen, von der Dauer der Rechtsverhältnisse, Ähren, hindurchgezogen durch einen kreisförmigen Ausschnitt in einem
und dies alles selbst dann, wenn man nur bei einer Hälfte der Bestimmung, Viereck, das „verteilte", d. h. dem Vassalien abgeurteilte Lehen, das er
entweder dem Casus oder der Folge stehen bleiben wollte. Nun hat wieder „ausziehen" soll, D Fol. 71a No. 4, b No. 1, 2, 72a No. 2, 76b
freilich, wie wir schon oben S. 21 sahen, der Illustrator eine solche Voll- No. 5, 81a No. 1, 3, 90a No. 5. Ähren, in ein Gebäude hineingezogen,
ständigkeit keineswegs allemal erstrebt. Aber meistens nötigte ihn eben ein Lehen, das der Herr dem Vassallen ableugnet, D Fol. 73b No. 5. Eine
doch der Zweck des ganzen Unternehmens, das Bedürfnis des Bestellers Scholle vertritt eine Hufe, D Fol. 32b No. 1, 2, ein Haus innerhalb eines
nach Wortillustration zu tieferem Eingehen. Indess mit jenen lehrhaft Zaunes oder zwei das Dorf4), dagegen ein Haus innerhalb einer Mauer
allegorischen Darstellungsmitteln, die seit Jahrhunderten auf das Begriffliche mit einem Thor die Stadt, D Fol. 60a No. 2, wie auf den Siegeln! — ein
angewandt und nicht zum Wenigsten gerade in grossen Arbeiten der Buch- paar Stützen mit einem Balken oder Dach darüber den Innenraum eines
maierei gepflegt waren, konnte die Illustration eines so naiven Rechtsbuches Hauses oder einer Burg5), ein in D budenartig ausgeführter Innenraum das
wie des Sachsenspiegels dem Veranschaulichungszweck nicht dienen. Der Palatium, worin der König Hof hält (D Fol. 13b No. 1, 4). Ein „Berg"
Künstler unterliess auch beinahe jeden Versuch dazu. Personifikationen, vermag den Schauplatz in zwei Länder zu teilen, D Fol. 84 b No. 3, ebenso
wie sie die allegorisierende Kunst liebte, spielen in seiner Phantasie keine ein aus der Vogelschau gesehener Fluss, D Fol. 66 b No. 1. Ist von In-
Rolle. Stellt er Sonne und Mond als Gesichter, einmal (D Fol. 20a No. 3, begriffen beweglicher Sachen die Rede, so werden ihre vornehmsten Re-
O Fol. 53a No. 1) den Wind als blasenden Kopf dar, so entsprach das Präsentanten hingezeichnet, vom „Heergewäte" das Hauptstück, das Schwert,
lediglich dem Hergebrachten, von dem abzuweichen kein Anlass vorlag. D Fol. 9a No. 2, IIb No. 5, 12a No. 2, 26a No. 1, oder allenfalls noch
Eine Allegorie allerdings von ursprünglichster Art bringt D Fol. 91 a No. 1, dazu die Brünne, D Fol. 10b No. 4 (vgl. auch No. 3), von der „Gerade" die
wo die Feinde des Sachsenspiegels mit verschränkten Armen nach dem Schere, D Fol. 6a No. 2, IIb No. 5, 12a No. 5, 51a No. 3, oder allenfalls
Buche speien und nach dem Verfasser treten, der wie ein Lesezeichen aus noch die Bürste, die Truhe, das Feder- und -Kleinvieh, D Fol. 5 b No. 6,
den Blättern hervorschaut, während über diesen das Antlitz Gottes empor- 6a No. 3, 9b No. 3, 12a No. 2, 51b No. 1°), während, wenn der Text die
steigt. Sonst geht die Illustration dem Allegorischen aus dem Weg. Nichts Bestandteile aufzählt, diese auch im Bilde sämtlich erscheinen, D Fol. 10b
spricht dafür deutlicher, als dass sie4) die Könige vorführt, die das Recht No. 2, IIa No. 4—67) Die Morgengabe, die Fahrnis werden vertreten
setzen, und den Verfasser des Buches, wie er gelobt, mit des heiligen

Geistes Hilfe dieses Recht treu widerzuspiegeln, dass sie aber das Recht *) Wegen H vergl. Weber Teutsche Denkmäler Sp. 47 und XXV, J. Grimm

selbst nicht verbildlicht. Die Versinnlichung von Aussersinnlichem unter- RA*. I 282, 283. — Auch in der Berliner Beaumanoir-Handschrift Fol. 47a symbolisieren

nimmt sie überhaupt nur, dann aber auch rückhaltslos, wo das Ausser- (Bäume und) Ähren die Lütges, Fol. 122b und 172a Ähren ein Feld.

1 2) Vergl. Weber a. a. O.

s) Vergl. Weber a. a. O. Sp. XXV.

x) Relief von Freckenhorst (siehe vorige Note). In Süddeutschland tritt derselbe 4) D Fol. 33 a No. 1, 78 b No. 1, H Fol. 9 a No. 1 (Taf. IX 1). Ausführlicher

Typus im Antiphonar von St. Peter (Salzburg) auf. D Fol. 78 a No. 6.

2) Vergl. Haseloff a. a. O. S. 271 nebst Taf. XVIII 36, XXXI 70. Margaretha s) D Fol. 4b No. 2, (Noahs Arche; ebenso H Fol. 18b No. 4, Taf. XX 10, mehr

und der Drache ferner in Cgm. 6 (Leg. aurea, a. 1362) Fol. 126b (thüringisch) und auf ausgeführt in O Fol. 7b, bei Spangenberg Beiträge tab. VII), 10a No. 1, 28a No. 2, 33b

den beiden Margarethen-Teppichen zu Marienberg vor Helmstedt ca. 1350. No. 3, 75 b No. 2, 88 a No. 5. Besonders oft in H.

s) Haseloff Taf. XVII 34 und deutlicher bei Wlha Miniaturen aus dem Psalter 6) Vergl. Weber a. a. O. Sp. XXVI = O Fol. 15b No. 1, 20a No. 3, 45a No. 1,

der heiligen Elisabeth 1898 Taf. VIII. — Auch dieser Typus auf dem einen der Marien- 18b No. 1, 2, —16b No. 1, 20a No. 2, 20b No. 2, —9b No. 3, 10a No. 2, (bei

berger Margarethenteppiche. Spangenberg Beyträge tab. VIII), 21 a No. 2.

4) DFol.36,OFol.6ab(SpangenbergÄy//a^tab.VV(,LübbenFacsimilebeilage). 7) = O Fol. 18a No. 2, 19a No. 3—5.

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