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Amira, Karl von
Die Grosse Bilderhandschrift von Wolframs Willehalm — München, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.14771#0016
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228

Karl v. Arnim

hier ist die menschliche Gestalt und insbesondere das mensch-
liche Antlitz nicht nur nicht in den Bildern zu Werinhers
Marienleben, sondern auch nicht in solchen Zyklen wie der
Berliner Eneidt oder dem Münchener Tristan, dagegen durch-
aus in den Bildern zum Sachsenspiegel behandelt. Gemütsbe-
wegungen finden lediglich in Handgeb erden ihren Ausdruck,
die, wenn man aus N weitergehende Schlüsse ziehen darf,
ziemlich mannigfaltig waren. Es kommen dort vor: der be-
kannte Trauergestus (bei Essenwein Sp. 119), das Fingerauf-
strecken als Gestus der Aufmerksamkeit und des Befehls, das
Übereinanderlegen der gesenkten Hände an den Gelenken zum
Zeichen der Bescheidenheit. Tieferem Eingehen ins Individuelle,
wie es doch bei den Grössenverhältnissen der Figuren möglich
gewesen wäre, war wohl die Massenhaftigkeit der Produktion
hier ebenso hinderlich, wie bei den Zeichnungen zum Sachsen-
spiegel. Eine Ausnahme macht der Zeichner nur bei Kenne-
wart, dem er wenigstens in M riesenhaften Wuchs verleiht.
Aber bei dieser Gestalt symbolisiert eben die individuelle Grösse
die riesenhafte Leibeskraft, womit das Gedicht den Kennewart
ausstattete. So symbolisiert in M und N der Bart das Alter von
Terramer und Heimlich, ein Symbol, das genau die gleiche Be-
deutung auch in den Sachsenspiegelbildern hat.J) So symbolisiert
ferner den Gegensatz von Heiden und Christen die Form des Kopf-
schutzes. Die Heiden tragen den altmodischen eisernen Spitz-
helm über der Halsberge, die das Gesicht frei lässt, die Christen
den modernen Topfhelm. Eine gekrönte Frauengestalt be-
deutet Gyburg, diu Mineginne, ein alter Mann mit der Grafen-
mütze auf dem Kopf den Grafen Heimrich von Narbonne. Be-
sondere Beachtung aber verdient ein symbolisches Stück der Tracht,
das wir genau in der nämlichen Form und in der nämlichen
Bedeutung wie in N 2 auch in den Zeichnungen zum Sachsen-
spiegel der Y-Gruppe wiederfinden, — die Bundmütze, über
deren hinteren Teil ein schwarzer Reif mit drei lilienartigen

x) S. die Einleitung zur Dresdener Bilderhandschriß des Sachsen-
S2>iegels S. 25.
 
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