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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0004
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165

Einleitung.

Daß in der Wiedergabe des Seelenlebens durch Bewegungen des menschlichen Leibes,
insbesondere der Hände, der bemerkenswerteste Fortschritt der zeichnenden Kunst seit
der Mitte des 12. Jahrhunderts besteht, wurde in der Literatur schon oft besprochen.1)
Man hat auch erkannt, daß dieser Fortschritt in den Bilderhandschriften des Sachsen-
spiegels (ungefähr zwischen 1290 und 1375) seinen Höhepunkt erreicht. Hier, meint
z. B. Franz Kugler,2) habe die Mimik der Hände sich zu einer grammatisch durch-
gebildeten Sprache entwickelt, mit der er die Bewegungen des heutigen Neapolitaners
parallelisiert. Erkannt hat man endlich, daß die Illustratoren des Rechtsbuches selbst
gerade die Handgebärden besonders beachtet wissen wollten, indem sie durch Übertreibung
der Größe sie dem Blick des Beschauers aufzudrängen pflegen.3)

Trotz alldem fehlt es sowohl über den rechtsgeschichtlichen wie über den kunst-
geschichtlichen Wert des Gebärdenspiels in der Sachsenspiegel-Illustration bis heute an
einem sicheren Urteil. Ein solches war allerdings auch bis in die jüngste Zeit herein gar
nicht möglich, weil die Bilderhandschriften weder in annähernder Vollständigkeit noch
auch nach Zeit und gegenseitigem Verhältnis4) bekannt waren. Man glaubte wohl,5) die
Bilder jener Handschi'iften ließen ersehen, daß die Rechtssymbolik viel reicher und anwend-
barer gewesen, als es der Text vermuten lasse, — wir dürften manche abenteuerlich
vorgestellte Handlung in den Rechtsbildern ,nicht als ein Spiel der Einbildungskraft des
Zeichners' ansehen, sondern müssten sie ,für schlichte Wirklichkeit' annehmen, — wobei
unter Rechtssymbolik und Handlung doch vornehmlich die symbolischen Handbewegungen
zu verstehen sein werden. Ja man wollte6) geradezu die Möglichkeit der ,neuen Illustrations-
technik' und den Umstand, daß sie sich ,sofort' der Erläuterung von Rechtsbüchern, d. h.
eben des Sachsenspiegels, zugewandt habe, allein aus dem ,Reichtum der überlieferten
nationalen Rechtssymbolik' erklären, aus jener ,vollendetsten Symbolik der äußerlichen

!) S. namentlich R. Kautzsch Einleitende Erörterungen zu einer Geschichte der deutschen Hand-
schriften-Illustration im späteren Mittelalter (1894) 16, 32—38.

2) Kleine Schriften I 49.

3) TT. F. Kopp Bilder und Schriften I (1819) 53, F. J. Mone in Teutsche Denkmäler Sp. XIX.

4) Über beides v. Amira Die Genealogie der Bilderhandschriften des Sachsenspiegels (in diesen
Abhandlungen XXII, Abt. II), hier zitiert als ,Genealogie\

b) Mone a. a. 0. Sp. XIV.

G) X. Lamprecht im Repertorium f. Kunstwissenschaft VII 401. Dazu aber Kautzsch a. a. 0. 32 f.
Abh. d. I. Kl. d. K. Ak. d. Wiss. XXIII. Bd. II. Abt. 44
 
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