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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0019
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nötigen Mannen zurückläßt, — den Schweigegestus in D 79 b Nr. 3, 82 a Nr. 1 bei Leuten,
die sieb, weigern, zu antworten oder zu urteilen. Im ganzen kommen diese determinierenden
Gesten selten vor. Man muß auch von ihnen die nur scheinbaren Begleitgesten (in der
Regel Befehlsgesten) unterscheiden, die nicht als gleichzeitig mit dem Gestus der andern
Hand gedacht sind. In D 38 a Nr. 1 z. B. fordert der Richter mit dem Befehlsgestus der
linken Hand sein Gewette von dem Bürgen, dessen Gelöbniß er mit dem Redegestus der
rechten Hand angenommen hatte. Der Lehenherr 76 a Nr. X ,beschuldigt' den Gedings-
mann mit dem Redegestus der Rechten und ,betaidingt' ihn mit dem Befehlsgestus der
Linken. Überhaupt aber müssen wir auch, wo wir Begleitgesten der oben angeführten
Art vor uns haben, doch die Frage aufwerfen, ob wir sie vom Standpunkt der dargestellten
Personen und nicht vielmehr nur von dem des Illustrators aus als Hilfsgebärden
aufzufassen haben, oder m. a. W. ob sie einen Vorgang in der Seele der dargestellten
Person ausdrücken oder ob sie nicht vielmehr, wenn auch erst vermöge eines Bedeutungs-
wandels, nur den Beschauer über irgend eine äußere Beziehung derselben belehren sollen.
Von begleitenden Trauer-, Ablehnungs- und Schweigegesten nun läßt sich das letztere in
gewissen Fällen leicht zeigen. Bei Einem, der nicht erben oder nicht widersprechen darf, ist
der Trauergestus lediglich das Zeichen, woran der Illustrator das Nichtdürfen erkennen läßt.
Denselben Sinn hat aber auch die ablehnende Begleitgebärde der ins Gespräch gehenden
Partei, da diese die erforderlichen Urteiler nicht mitnehmen darf. Und was den Schweige-
gestus betrifft, so verbietet sichs für Einen, der nicht einfach schweigt, sondern zu ant-
worten oder zu urteilen sich weigert, von selbst, die Hand vor den Mund zu halten.

Der nämliche subjektive Charakter der Symbolik liegt ohne weiteres zu Tage bei
einer sehr großen Gruppe von hinweisenden Begleitbewegungen, die bald in der linken,
bald in der rechten Hand und gewöhnlich in ihrer verständlichsten Form, dem ausge-
streckten Zeigefinger, auftreten.1) Hier überträgt der Illustrator seine eigene Gebärde
an die dargestellte Person. Mittels ihrer hinweisenden Hand will er den Blick des
Beschauers auf den Gegenstand oder auf das Zeichen für den Begriff lenken, wozu diese
Person, unter Umständen auch eine andere, in einer bestimmten Beziehung steht. Er hat
z. B. die Ziffer oder das Zeichen für eine gesetzliche Frist hingeschrieben und läßt nun
darauf den Richter deuten, weil dessen Zuständigkeit von ihr abhängt D 17 a Nr. 2, oder weil
der Richter sie bestimmt hat 79 b Nr. 1, 3, oder weil sie von ihm beobachtet wird 36 b Nr. 2,
41 a Nr. 4, 64 a Nr. 2, 85 a Nr. 4, einen Urteiler, weil er über ihre Bestimmung ein Urteil
findet 73 a Nr. 2. Auch eine Partei deutet darauf, weil sie sieh darauf beruft 61 a Nr. 3,
oder weil sie die Frist beobachten muß 78 a Nr. 5, beobachtet 85 a Nr. 42) oder nicht
beobachtet 81 a Nr. 1, oder weil ein Anderer die Frist gegen sie beobachtet hat 61 a Nr. 1,
67 a Nr. 2, 70 b Nr. 3, oder weil sie einem Andern die Frist kürzt 64 a Nr. 2, und eben
dorthin deutet ein Bote, der sie ankündigt 79 a Nr. 4. Nach einer flammenden Sonnen-
scheibe, dem Zeichen für einen ,Tag' oder ,Termin' deuten der Richter, der ihn abhält
79a Nr. 2, 81b Nr. 3, 5, 82a Nr. 2, b Nr. 1, 3, 83b Nr. 4, oder anberaumen will 79b

M Die subjektiv symbolische Natur von hinweisenden Gebärden in der Sachsenspiegel-Illustration
ist schon im allgemeinen besprochen in der ,Einleitung' zur Ausgabe von D S. 28.

2) Ein Seitenstüek biezu läge in D 53 b Nr. 3 reehts vor, wenn der Redegestus in Ordnung wäre
S. aber H 27 b Nr. 3 (Taf. XXX 4).
 
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