Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0025
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
186

Nähe,1) die Zuhörer eines Lehrenden, Ratenden, Befehlenden,2) die Zuschauer eines Mar-
tyriums, eines Kampfes, einer Geschenk- oder einer Briefüberreichung, einer Amtsübergabe.3)
Der altehristlichen Kunst entlehnte die frühmittelalterliche dasselbe Bewegungsmotiv auch
bei den Einzelfiguren. Dann aber wurde es geradezu schematisch. Allerdings läßt es sich
bei Christus und heiligen Männern, Engeln, Propheten und Philosophen noch als Begleit-
gestus der Rede, bei heiligen Frauen als Ausdruck des Gebets verstehen,4) und das Letztere
gilt auch von Grabbildnissen Gestorbener, auf die man die Gebärde übertrug.5) Dagegen
entbehrt sie schon der Bestimmtheit des Sinnes bei Personifikationen von abstrakten
Begriffen wie Tugenden und Lastern, oder von Naturerscheinungen wie Sonne und Mond.6)
Die in den Noten angeführten Denkmäler bezeugen eine Kunsttradition, die zeitlich wie
räumlich nahe an die Sachsenspiegel-Illustration heranreicht. Welchen Anteil daran das
unmittelbare Muster der Hs. X, die große Bilderhs. von Wolframs Willehalm, hatte,
lassen nun freilich deren spärliche Überreste nicht mehr ermessen. Doch gestattet das
zweite Nürnberger Bruchstück den Schluß auf eine ziemlich mechanische Abwechselung
zwischen unserm ,Redegestusl und den Zeigegesten. Und nicht anders stellt sieh zu der
Frage die sonstige Buchmalerei aus der Zeit von X selbst oder kurz nach X, wie originell
auch in sonstiger Hinsicht ihre Leistungen sein mögen. Eine Münchener Hs. des Wilhelm
v. Oranse (gegen 1300) liefert Wiederholungen jenes Schwertträgers, jener Hofleute, jener
Zuschauer, die zum Zeichen ihrer Aufmerksamkeit eine Hand erheben.7) Seitenstücke zu
diesen Zuschauern und zu obigen Hörern und Personifikationen finden sich ungefähr gleich-

Straub Lief. II pl. XIII, — Cod. Pal. 112 her. v. \V. Grimm im Atlas zu Euolandes Liet (1833) Nr. 2, 3,
7, 17, 27, — Clm. 17401 (Theophilusiegende a. 1206 — 1216), photogr. v. Teufel Nr. 1392, — Clm. 3900
(e. 1250) fol. 2 b {photogr. v. dems. Nr. 1238).

') Mosaik in S. Vitale zu Ravenna {Begleiterinnen der K. Theodora), — Bibel v. S. Paul (9. Jahrh.)
bei Hefner-Alteneck Trachten, Geräte etc. Taf. 17, — Cod. Cavensis fol. 15, 150 her. a. a. 0. 36, 200.

— Vgl. übrigens auch das Diptychon bei Du Cange Gloss. X Taf. I.

2) Clm. 15903 (c. 1200) fol. 30a. — Clm. S35 (c. 1250) fol. 106b. — Clm. 22053 (e. 800) fol. 6b (photogr.
v. Teufel Nr. 1599), 8b, 9b, Berlin K. B. Ms. theol. lat. 2° 323 (c. 1100) bei Janitschek Malerei 95,
Clm. 3900 (c. 1250) fol. 2b, 3a, 6b (photogr. v. Teufel Nr. 1238, 1239, 1246). — Cod. Pal. 112 a. a. 0. 7, 36.

— Psalter, zu Cividale a. a. 0. Taf. XXVIII. — Clm. 13002 (a. 1158) fol. 4a (erste Reihe, rechts) und
darnach Clm. 17403 fol. 6b. — Clm. 17401 photogr. v. Teufel Nr. 1387 oben, 1389 unten.

») Clm. 3900 (c. 1250} fol. 6a, b, 7a (Photogr. v. Teufel Nr. 1245—1247), — Wandgemälde im Dom
zu Braunschweig a. d. Südwand des Chors g. 1224 (photogr. v. Behrens Nr. 963) und im südl. Kreuzarm.
(bei G. Schultz D. Höfische Leben I Titelbild). — Elfenbein zu Stammheim (c. 1000—1050) in Kunsl-
derikm. d. Rheinprovinz V 2 Taf. XII. — Clm. 17401 photogr. v. Teufel Nr. 1387 unten, 1390 unten.

*) Typische Beispiele: auf dem S. Victor-Reliquiar zu Xanten (11. Jahrh.) bei Ausui Weerth
Kunstdenkmäler I Taf. XVII 4, — auf einem Relief zu "Werden (12. Jahrh.?) ebenda XXIX 5, — auf dem
Tragaltar in der Reichen Kapelle zu München (c. 1180—1250) bei Hefner-Alteneck Trachten Taf. 100,

— auf den Buchdeckeln v. Clm. 12201b (12. Jahrh.) und 21585 (c. 1200), photogr. v. Teufel Nr. 217, 232,

— in den Medaillons der Holzdecke bei S. Michael zu Hildesheim (g. 1186), — viele andere aus sächsisch-
thüringischen Hss. bis g. 1250 auf den Tafeln bei Haseloff a. a. O.

5) Sog. Witekind-Grab zu Engern abgeb. bei Hefner-Alteneck Trachten etc. Taf. 101 (c. a. 1180
—1240?), Plektrudis-Stein zu Köln (12. Jahrh.) bei Boisseree Denkmäler Taf. VIII, Otte Randb. der
kirchh Kunstarchäologieb II 563.

6) Mancherlei Belege im Hortus deliciarum. Andere: Elfenbein (10. —12. Jahrh.) im Nationalmus.
zu München Nr. 160 (Katalog V Taf. VII).

7) Cgm.63 fol. 20a, 72b, 24b, 27b, 29b, 91 b, 105a.
 
Annotationen