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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0031
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symbolischen Art. Beispiele für den Befehlsgestus: indem er den linken Zeigefinger auf-
streckt, gibt uns der Richter zu verstehen in D 37 b Nr. 3 (= H 13 b Nr. 3 Taf. XV 4),
daß er dem Henker den Strafvollzug,1) in D38a Nr. 5 (= H 14 a Nr. 5 Taf. XVI 3), daß
er dem Bürgen, der ein Tier nicht vorbringen kann, das Herbeischaffen des Felles gebietet.2)
An der ablehnenden Bewegung, die der Richter mit der linken Hand macht, sollen wir
in D 20 b Nr. 1 und 38 b Nr. 2 erkennen, daß er die Festnahme des Beklagten, der einen
Bürgen stellt, verbietet, in D 22 a Nr. 4, daß er den Fortgang des kämpflichen Verfahrens
befristet, also hindert.3) Durch einen subjektiv-symbolischen Zeigegestus interpretiert wieder
am häufigsten der Landrichter den Sinn der Komposition. Er deutet mit dem linken Zeige-
finger auf die Ziffern einer Frist D 20 b Nr. 5, auf das Zeichen für den Tag 23 b Nr. 2,
24 a Nr. 1, für den Frieden 22 a Nr. 5, für das Urteil 24 b Nr. 2, 50 a Nr. 3, für den
Stand, der einer Partei nicht gebührt 8 b Nr. 1, auf das des Marktes, worin er dingt
39 b Nr. 5, auf den Stuhl, den der gescholtene Urteiler räumen muß 25 a Nr. 2, den Rock-
ausschnitt, woran man beim kämpflichen Gruß den Gegner packen soll 18 b Nr. 4, auf
die Wunde, wegen deren Einer klagt 19a Nr. 2, auf die Leute, die man wegen einer
Wunde beschuldigen darf 44 b Nr. 1 oder die nicht über einander urteilen können 50 a
Nr. 4, auf die kranke Partei, die sich durch ihren Bürgen entschuldigen läßt 23 a Nr. 3.4)
Von andern Personen, die der Künstler dazu beruft, den Beschauer zu belehren, nenne ich
den Bischof, der auf den von ihm gewählten König 47 a Nr. 3, den Gogreven, der auf den
Fronboten als seinen Stellvertreter 21b Nr. 5, den Urteiler, der auf die Ziffern von Fristen
und Zeichen von Tagen oder auf den Mann deutet, der in seinem Gericht dingpflichtig
ist 70b Nr. 3, 80a Nr. 5, 82a Nr. 1, 88b Nr. 3, den Kläger, der auf das (verbrannte!)
Pferd weist, wofür er Ersatz verlangt 37 a Nr. 4, oder auf den Richter, der ihm nicht
richtet 22 a Nr. 3, 54 b Nr. 5, den Gläubiger, der auf das Geld zeigt oder auf die Ziffer
der Summe, die er bekommt 43 b Nr. 5, 51b Nr. 5, den Herrn, der auf den Vorsprecher
deutet, den er anschuldigt 63 a Nr. 1, oder auf den Unterherrn, an den er den Unter-
vassallen weist 66 a Nr. 1, oder auf die symbolische Darstellung des Lehenbesitzes, der
bewiesen werden soll 69 b Nr. 3.5) — Sehr häufig ist in D eine begleitende Bewegung
nach Art von Nr. 1 oder auch, sehwach nachahmend, von Nr. 2 selbst.

Auch die Verwendung der Hauptgebärde ist, soviel sich fürs erste aus den Äußer-
lichkeiten des Vorkommens beurteilen läßt,6) die gleiche wie die von Nr. 1. Sie wird den-

J) Analog König und Landrichter in H 26 a Nr. 1 (Taf. XXVIII 5). Vgl. auch D 52 a Nr. 1.

3) Vielleicht gehören hieher auch D 53b Nr. 4 (= H 27b Nr. 4 Taf. XXX 6), 82b Nr. 2 und H 14b
Nr. 2 Taf. XVI 5. An letzterer Stelle hat jedoch D 38 b Nr. 2 sinngemäßer einen Ablehnungagestus.
S. den Text oben.

8) Möglicherweise jedoch war in X auf dem ersten und dritten Bild die Hauptgebärde des Richters eine
demonstrative wie in O 38b Nr. 1, 35b Nr. 2. Aber O zeigt hier auch noch mancherlei andere Abweichungen.

4) Verwandte Beispiele: der Landrichter deutet auf den Fronboten D27b Nr. 2, auf Parteien 20 b
Nr. 6, 21a Nr. 4, 22 b Nr. 2, 38 a Nr. 4.

5) Andere Beispiele aus D: 47b Nr. 4 (Schultheiß), 82a Nr. 5 (Urteiler), 52a Nr. 3 rechts, 82 a Nr. 4,
S8a Nr. 4 (Herr), 38a Nr. 2 (Zeuge?), — aus H: 7b Nr. 1,3-5, 12a Nr. 2, 14b Nr. 3, 15a Nr. 1, b Nr. 3, 4,
16 b Nr. 2, 4, 5, 27 a Nr. 5 (Richter, Taf. VII 6, 8—10, XIII 2, XVI 6, 9, XVII 6, 7, XVIII 6, 8, 9, XXXI 1),
8b Nr. 2, IIa Nr. 2, 13a Nr. 5, 16b Nr. 1, 5 (Partei, Taf. VIII 8, XI 8, XV 1, XVIII 5, 9), 16a Nr. 3 (Ehe-
mann, Kind, Taf. XVÜI 2).

6) Die Hss. stimmen auch hier vielfach nicht überein. Insbesondere bringt oft die eine den ,Rede'-, wo
die andere einen ,Zeige'-Gestus, ohne daß sich immer mit Sicherheit sagen läßt, welcher der richtigere sei.
 
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