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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0041
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wonach man cum manu et festuca, manu et calamo, ore manu et culmo, mit hanä und
halm, mit mund hand und Mim, mit halm mit hande und mit munde, mit hand und
mund halm und twige aufläßt.1) Nicht daß mit der Hand das Auflassungssymbol dar-
gereicht werde, will die Formel besagen; denn nicht nur mit diesem, sondern auch mit
dem mund wird die Hand zusammengestellt. Eine Handreichung, wie sie J. Grimm für
möglich hält, könnte allerdings gemeint sein. Allein die Bilder kennen neben der Über-
gabe des Auflassungssymbols keine Handreichung. Sonst sagen die Quellen des sächsischen
liechtskreises, daß man ,mit Fingern' und mit einem Übergabssymbol auflasse (s. unten Nr. 7).
Es konnten also wohl, wie wir das beim Richter gesehen haben, Rede- und Zeigegestus
einander vertreten. Urkundlich ist eine resir/natio per manus extensionem facta a. 1281
wenigstens im nordöstlichen Schwaben durch Haltaus 793 nachgewiesen.

3. Der lateinische Segensgestus. Die rechte Hand, mit dem Vorderarm steil
erhoben, kehrt ihre Innenfläche dem Beschauer zu; die drei ersten Finger werden auf-
gestreckt, und zwar der zweite und dritte aneinander geschlossen, der vierte und fünfte
entschieden eingekrümmt (Fig. 3 a und 3 b). Diese Gebärde, der auf unseren Bildern kaum
jemals eine begleitende zur Seite geht, ist zwar ihrem Ursprung nach ein antiker und
altchristlicher Redegestus,2) auch noch in der spätem mittelalterlichen Malerei als solcher
verwendet,3) von den Ssp.-Zeichnern jedoch unter dem Einfluß der kirchlichen Liturgie
nur als Segensgestus im Sinne eben der Liturgik empfunden. Denn sie erteilen sie nur
Personen, die dem Text nach als segnend vorgestellt werden müssen, wie Isaak D42b
Nr. 5, H 18b Nr. 5 (Taf. XX 12), 0 74a Nr. 4, ferner Geistlichen, insbesondere infulierten,
auch wenn sie in einer andern Funktion, als der des Segnens oder wenn sie ohne
bestimmte Funktion (als Einzelfiguren) auftreten, D 33 a Nr. 8, 9, 35 a Nr. 6, 45 a Nr. 6—8,
47 a Nr. 1, 3, 48 a Nr. 3, 0 62 a Nr. 1, 78 b Nr. 4, 5, endlich den göttlichen Personen
,D34aNr.3, 35 a Nr. 5, 35bNr.l, 42bNr.2, HllbNr.l, 18 b Nr. 2 (Taf. XII4, XX 7).
Der Zeichner von D hat übrigens den Segensgestus ein paarmal an Stelle einer hin-
weisenden Gebärde oder eines Attributes eingesetzt,4) und wahrscheinlich hat er sich noch
anderwärts derartige Änderungen erlaubt.5) So hat sich auch in 0 60b Nr. 4 (Gegen-
sinn) ein Segensgestus bei einem exkommunizierenden Priester eingeschlichen, obgleich
ihn die Situation schlechterdings ausschließt.6)

*) Grimm Recktsaltertümeri I 171—144, 177.

2) Sittl D. Gebärden 286. Dann außer den bei Vöge E. deut. Malerschule etc. 292 angeführten
noch St. Beissel D. Bilder der Hs. des K. Otto im Münster zu Aachen 69 u. des h. Bernward Evan-
(fdienbuch 28, Haseloff Thüring. sächs. Malersclmle 300.

8) Z. B. bei Kraus Miniaturen der Maness. Hs. Taf. 3, 8, 10, 22, 68, 71, 93,117, 123, Fr. Pfeiffer
Weingartener Liederhs, 4, 28, 129, vielleicht ferner bei Kraus 99, 137, 138, bei Pfeiffer 25, 47, 72. Der
Wechsel der linken mit der rechten Hand dürfte verbieten, an einen Schwurgestus zu denken. S. ferner Laib
u. Schwarz Biblia pauperum Taf. 15 oben.

*) Mit D 47a Nr. 1, 3 vgl. H 21a Nr. 1, 3 (Taf. XXIII 4, 6). Mit D 48a Nr. 3 vgl. H 22a Nr. 3
(Taf. XXIY 4).

6) Bei aller Selbständigkeit von 0 78 b Nr. 1—3 (Königswahl) dürfte doch der dortige Zeige-
gestus des Erzbisehofs von Köln eher aus X stammen als die Segensgesten der drei Erzbischöfe in
D 45 a Nr. 6, ebenso der Zeigegestus des Krönungsassistenten in O 78 b Nr. 4 eher als sein Segensgestus
in D 45 a Nr. 7.

G) Die entsprechenden Bilder sind D 34 b Nr. 4, H 10 b Nr. 4 (Taf. XI 4).
 
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