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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0052
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213

Nr. 5. Insbesondere kennzeichnet diese Handbewegung bestimmte einzelne Funktionen
des Richters, die er nur kraft seiner Befehlsgewalt vornehmen kann: das Antwortgebieten
D 16a Nr. 3, 50b Nr. 1, 81b Nr. 1, 82a Nr. 1, H 24b Nr. 1 (Taf. XXYI 10), das Urteil-
fragen D 64b Nr. 1, 79a Nr. 5, 80a Nr. 1, 82a Nr. 5, das Erteilen einer Erlaubnis
D 55 b Nr. 4, viel öfter jedoch das Eichten oder ,Taidingen' überhaupt,1) weil auch dieses
Ausübung der Befehlsgewalt ist, z. B. D 4a Nr. 6, 15a Nr. 3, 25a Nr. 3, 27b Nr. 3,
29b Nr. 3, 30b Nr. 4, 34b Nr. 5, 41b Nr. 1, 47b Nr. 4, 54b Nr. 3, 4, 72a Nr. 2, 76a
Nr. 1, b Nr. 5, 77b Nr. 3, 81a Nr. 6, 83a Nr. 4, 84b Nr. 5, 87b Nr. 3, 5, 88b Nr. 3, 5,
89a Nr. 5, 90a Nr. 2, 5, H 13b Nr. 4, 14a Nr. 3, 16a Nr. 1, 21b Nr. 4, 23b Nr. 3,
24b Nr. 2, 26a Nr. 1 (Taf. XV 5, XVI 1, XVII 10, XXIV 1, XXVI 2, XXVII 1, XXVIII 5),
0 7a Nr. 2—5 (bei Spangenberg Beytr. tab. VI), 27a Nr. 3, 34b Nr. 3. Der Befehls-
gestus ist eben zum präsumtiven Attribut des Richters geworden, wie er präsumtives
Attribut anderer Befehlshaber ist, z. B. des Königs D 13b Nr. 1, 47a Nr. 1, 2, b Nr. 3,
50b Nr. 2; 52a Nr. 1, H21a Nr. 2, 3 (Taf. XXIII 5, 6), O 15a (bei Lübben Ssp. 18/19),
— des Dienstherrn H 18b Nr. 3, 27a Nr. 5 (Taf. XX 8, XXIX 10), D 42b Nr. 3, 53a
Nr. 5, — des Lehenherrn D 59b Nr. 1, 60b Nr. 3, 61a Nr. 3, 66b Nr. 3, 69b Nr. 2, 72b
Nr. 3, 76a Nr. 5. Vom Befehlshaber geht dann sein Gestus auf seinen Boten über, der
einen Befehl z. B. eine Ladung überbringt, D 48b Nr. 3, 79b Nr. 5, 80a Nr. 1, 2, 83b
Nr. 6 (vgl. auch oben S. 174, Note 2), H 22b Nr. 2 (Taf. XXIV 9).

Die Grundbedeutung war indes nicht Ausübung einer Befehlsgewalt, sondern ;— wie
sie es noch heute im Leben ist — Aufforderung zur Aufmerksamkeit. In der früh-
mittelalterlichen Malerei kann daher die Erhebung des Zeigefingers jede eindringliche Rede
begleiten, so z. B. wenn der ägyptische Josef zu seinen Brüdern spricht: Vos cogitastis de
me malum, sed vobls convertitur in bonum Clm. 13002 (a. 1158) fol, 4a, Clm. 17403 fol. 6b,
oder der himmlische Bräutigam zu den törichten Jungfrauen: Amen dico vobis, nescio vos
Clm. 835 (c. 1250) fol. 71b.2) Das Erheben des Zeigefingers bezeichnet einen Fluch bei
einem Heiligen, wenn dieser den Leser anredet: Quicimqiie librum vitae defraudaverit vel
Uteras deleverit per mdlitiam suam, deleatur nomen ejus de Ubro viventium; amen, fiat, fiat,
fiat Paris bibl. nat. lat. bei Bastard VII 1 Nr. 213, aber auch in der Milstäter Genesis
fol. 23a bei dem Noe, der vhtchot sinem sun Cham (bei J. Diemer I 31). Ebensogut kann
es einen Segen unterstützen wie bei dem den Jakob segnenden Isaak ebendort fol. 35b
(a. a. 0. 49) oder einer Bitte Nachdruck geben wie bei dem der hl. Katharina zuredenden
Maximinus, wo der Maler beischreibt: demuleet precibus rex mentem virginis kujus,
Clm. 3900 (c. 1250) fol. 4a, — oder eine Einladung wie bei den Boten des reichen Mannes,
die sein Gastgebot ausrichten, im Echternacher Evangeliar.3) Ganz besonders eignet sich
dieselbe Gebärde auch zur Begleitung einer Frage, z. B. Christi an die Ehebrecherin:

1) So auch in der französ. Digestenhs. Clm. 14022 zu L. XIII de condictione furtiva (e. 1300), — auf
dem Taufbecken im Dom zu Hildesheim {c. 1250 Salomo).

2) Andere Beispiele: Echternacher Evangeliar fol. 76 b: der pater familias schickt die Arbeiter in
seinen Weingarten (Jahrb. der Altertfr, i. 'Rheinland LXX Taf. 9). — Clm. 835 fol. 69 b (Jesus redet mit
der Samariterin), — Clm. 13002 fol. 3 b {Kyros redet mit dem gefesselten Krösus). — Cmgall. 16 [fol. 27 b
(die Engel reden mit Abraham u. Sarah), 74 b (ein Bote überbringt eine Nachricht; — David spricht zu
den Gibeonitern). — W. Grimm Ruolandes Liet Atlas Nr. 3, 7, 8, 10, 27, 34, 36.

3) A. a 0. Taf. 10 und bei Janitsehek Deut. Malerei 69.

Abh. d. I. Kl. d. K. Ak. d. Wiss. XXIII. Bd. II. Abt. 50
 
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