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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0057
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bei diesen Aktionen, weil das Verfesten und das Lassen aus der Verfestung innerlich mib
dem Gelöbnis verwandt sind. Das Verfesten heißt gerade im Gebiet des sächsischen Rechts
ein verloben {vorloven),1) und so wird das Herauslassen ein Geloben (des Friedens) sein.

Angesichts eines Meißenschen Werkes wie der Sachsenspiegel-Illustration fällt es auf.
daß man nach dem sogenannten Meißener Rechtsbuch beim Verfesten zwei Finger auf-
strecken soll.2) Dieses nennt das Rechtsbuch ein sweren, d. h. der Gelöbnisgestus ist durch
den Schwurgestus ersetzt.3) Schwerlich hatder Verfasser die Angabe aus einer unmeißenschen
Quelle geschöpft.4) Wahrscheinlicher ist, daß zu seiner Zeit, die mindestens um ein halbes
Jahrhundert später als die Entstehungszeit der Sachsenspiegel-Illustration fällt, in Meißen
selbst eine Änderung der Form eingetreten war. Anzeichen dafür, daß man damals wie
anderwärts so auch in Meißen den alten Gelöbnisritus schon lange nicht mehr streng
beobachtete, liegen nicht nur im Meißener Rechtsbuch,5) sondern auch in den Sachsen-
spiegel-Bildern vor. Den Gelöbnisgestus, den die angeführte Darstellung in 0 38 b Nr. 2
noch bewahrt, hat im entsprechenden Bilde der Zeichner von D 22 a Nr. 5 hei einer Figur
durch den Befehls-, bei einer andern durch einen Redegestus ersetzt. Ebenso verhält
er sich in 22 b Nr. 1 zu 0 39 a Nr. 2, in 38 a Nr. 1, h Nr. 2 zu H 14 a Nr. 1, b Nr. 2
(Taf. XV 7, XVI 5) und teilweise auch in 39 a Nr. 1 (bei den zwei ersten Figuren) zu
H 15 a Nr. 1 (Taf. XVI 9). In 41a Nr. 4 ersetzt er die Gelöbnisgebärde der Dingleute
in H 17 a Nr. 4 (Taf. XIX 4) durch den Schwurgestus; hier also stimmt er mit dem
Meißener Rechtsbuch iiberein. Aber nicht erst der Zeichner von D, schon der von N
erlaubte sich solche Änderungen. In 0 67 b Nr. 2 entspricht dem Gelöbnisgestus des Bürgen
aus H 14 b Nr. 2 die Schwurgebärde, in 0 68 a Nr. 3 dem Gelöbnisgestus der Dingleute
aus Hl5a Nr. 1 teils eine zurückweisende, teils eine Redegebärde. Umgekehrt findet
sich der Gelöbnisgestus in unsern Hss. bei Figuren, denen er nicht gebührt. Schon Y
erteilte ihn bei III 6 § 1 einem der Spieler (s. H 13 b Nr. 1, Taf. XV 2 und D 37 b Nr. 1);
0 65 b Nr. 2 aber ergibt, daß der Illustrator von Y einen zeigenden Finger mißverstanden
hat: denn in X wie in N schwebten noch die drei Würfel über den Spielern, von denen
einer auf sie deutete. Einem ähnlichen Mißverständnis verdankt der Gelöbnisgestus der
Vassallen in D 57 b Nr. 4, 5 seinen Ursprung; denn aus H lb Nr. 4, 5 (Taf. I 12, 13)
ersehen wir, daß diese Vassallen auf die eine Frist symbolisierende Ziffer deuten. ^

Bei dieser Verwirrung der Gestikulation besteht die Wahrscheinlichkeit, daß auch
an Stellen, wo wir es nicht nachweisen können, die Rlustratoren dem Gelöbnisgestus eine'
andere Gebärde substituiert haben. Dies mag insbesondere in solchen Fällen gelten, wo

1) S. die Belege bei Homeyev J&ichtsteig Landr. 564, Haltaus G/oss. a. v. Verloben, Grupen a. a. 0.

2) Rechtsbuch n. Distinktionen IV 20 dist. 1. Dazu vgl. noch IV 21 dist. 2, ferner Grimm Weis-
tiimsr IV 678.

3) Also nur ein äußerliches Zusammentreffen mit dem ostnordischen ,Ausschwören'!

*) Bei der Auflassung verlangt er ebenfalls das Aufrecken ,der Finger' I 31 dist. 1, abweichend
von seiner Quelle, den Stat: v. Goslar 14, 6—8. Die Klaggewähr gelobt man allerdings auch nach ihm
mit einem Finger IV 44 dist. 2.

5) Rechtsbuch n. Distinktionen I 31 dist. 1 (aus Goslar. Stat. 14, 9—11), IV 44 dist. 2 (Hand oder
Finger!) vgl. mit Goslar 81, 22, 32.

6) Dies übersehen Kopp Bilder u. Schriften I 68 f.. Prutz Staatengeschichte I 486 uncl R.Schröder
N. Heidelb. Jahrb. VIII 5 Note 3.
 
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