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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0063
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seines Lehenherrn dulden muß,1) 17 a Nr. 4 bei dem Grafen, der dem König zu weichen
hat, — schließlich auch die Bedeutung des Zustimmens, so bei den Fürsten, die in H 21 a
Nr. 3 (Taf. XXIII6) den König kiesen, nachdem die sechs ersten ihn ,bei Namen' gekoren
d. h. ihn als ihren König benannt haben.2)

Eben dieses letztere Bild leitet über zu einer Abbreviatur der beschriebenen vollen
Form. Das unmittelbar vorausgehende nämlich zeigt den Gogreven, der seinen Platz dem
Grafen zu räumen hat. Wie in 17a Nr. 4 der König den Grafen, so schiebt in 17a Nr. 3
der Graf den Gogreven fort; beide Bilder veranschaulichen durchaus analoge Rechtssätze.
Aber die Analogie der Ausdrucksbewegungen bei den Figuren der ihren Platz Räumenden
beschränkt sich auf den linken Arm; der rechte Arm des Gogreven ist stärker gehoben,
seine rechte Hand weniger entschieden gesenkt. Dieser Figur nun entsprechen zwei andere
in verwandter Situation: die des Erben, den 10a Nr. 1 die Witwe seines Erblassers von
ihrem Leibgeding verweist, und die des Pfaffen, den 18 a Nr. 2 der Fronbote vom Vor-
sprecheramt ausschließt. Der nämliche Wartegestus und zwar noch im gleichen Sinne des
Sichfügens begegnet aber auch 10a Nr. 5 bei dem Dienstherm, der dem Erben seines
Dienstboten den von diesem verdienten Lohn auszahlt, und 83 b Nr. 3 bei dem Manne, der
eine Buße entrichtet. Dem letzteren hat, da er noch eine andere Zahlung auszuführen hat,
der Zeichner eigens zum Zweck der Gebärde einen dritten Arm verliehen. Im ursprüng-
licheren Sinne der Gewärtigkeit erscheint sie 17 b Nr. 4 bei dem Manne, der sich vom
Richter zum Vorsprecher bestellen läßt, 79 b Nr. 5 bei einem Vassallen, dem sein Herr
einen Auftrag erteilt, 82 b Nr. 5 bei vier Vassallen, die vor ihrem Herrn zu Gericht
stehen, — ferner in der abgeleiteten Bedeutung des Gewährens 14a Nr. 3 bei dem
Richter, der den Klägerinnen den erbetenen Klagvormund gibt, 0 87 b Nr. 33) bei dem
König, der seinen Dienstmann freiläßt.

Wahrscheinlich auch nur als eine Variante des normalen Wartegestus, vielleicht
sogar nur als eine durch fehlerhafte Zeichnung entstandene, dürfte die Bewegung der
Hände bei der Dienstherrin in 10 a Nr. 5 aufzufassen sein. Sie erhebt die beiden Unter-
arme und läßt die Hände herabhängen, die rechte jedoch mit vorwärts gekehrter Innen-
fläche.4) Das wird schwerlich etwas Anderes besagen sollen als die Gebärde des vor der Frau
stehenden Dienstherrn (s. oben). Ebenfalls Variante, und wiederum wohl nur infolge
zeichnerischen Mißverständnisses, ist die mit dem Unterarm in derselben Achse schräg
erhobene Hand des Richters, der in H 29 b Nr. 4 (Taf. XXXII 6) eine Erlaubnis gewährt.

Das Motiv der vorgehobenen, aber gleichsam welk, schlaff nach unten herabhängenden

l) Schwerlich hieher, wie K.J.Weber Teut. Denkmäler Sp. 4 und XXXIV meint, gehört die
Gebärde der linken Hand des Lehenherrn in H 2b Nr. 3 (Taf. II 8). Nach D 58b Nr. 3 wenigstens ist
sie als Zeigegrstus zu verstehen. Noch weniger hat die auf dem Knie ruhende Rechte des Lehenherrn
in H6b Nr. 4 (Taf. VI 8)-hier zu schaffen. A. Mg. Weber a. a. 0. Sp. 12 u. XXXIV.

9 S. Weber a. a. 0. Sp. 45 u. XXXIV, Eomeyer Anmerkung zu Landr. III 57 § 2. Vielleicht ist
aber erst in H der Wartegestus an die Stelle eines ursprünglichen Zeigegestus getreten, vgl. D 47a Nr. 3.

3) Bei Goldmann Beiträge z. Gesch. d. germ. Freilassung 71 Nr. IL — Auch in D 53a Nr. 3 ist
an der linken Hand der Königsfigur noch die ursprüngliche Bewegung erkennbar.

*) In 0 17b Nr. 5 (Gegensinn) ist die Gestikulation ganz anders: die Frau hält die rechte Hand
vor die Brust und streckt den linken Zeigefinger auf.
 
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