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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0069
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230

erforderlich. Vgl. oben S. 190. Homeyer zu Ssp. II 69 hat eine solche in D 35b Nr. 4
zu entdecken geglaubt und gemeint, die Helfer legten dort die linke Hand auf die Brust.
Allein es ist überhaupt nur bei einem Helfer (der dritten Figur im Bildstreifen) die linke
Hand sichtbar, und diese liegt nicht auf der Brust, sondern weist nach der Szene hinter
dem Schwörenden, worüber der Schwur geleistet wird. Nur in Spezialfällen bekam auch
die linke Hand etwas zu tun: indem sie z. B. einen bestimmten Gegenstand anfassen
mußte. In D zeigt sich nach dem oben 227 Bemerkten das Prinzip in sein Gegenteil
verkehrt. Dem dürfte wohl eine Änderung im üblichen Schwurritus zu Grunde liegen.

Fortsetzung: Tast- und Greifgebärden.

14. Die Verweigerung.1) Die Arme werden verschränkt und die Hände unter die
Achseln gesteckt (Fig. 12), doch nach H und 0 gewöhnlich, seltener nach D so, daß die
Daumen sichtbar bleiben. Diese Gebärde, — Gegenstück zu Nr. 11 —, die man auch in
anderen Bilderwerken aus ungefähr derselben Zeit findet,8) dient den Ssp .-Zeichnern haupt-
sächlich zum Ausdruck des Verweigerns, den sie öfter noch dadurch verstärken, daß
sie die Person, welche sieh weigert, ihr Gesicht abwenden lassen.3) Einmal (D 69 a Nr. 4)
wird das Abwenden des Gesichtes durch Zurückbeugen des Oberkörpers vertreten. Mit
verschränkten Armen verweigert der Herr die Belehnung D 57 a Nr. 3, 67 b Nr. 3, 86 a
Nr. 1, 2 oder die Vertretung seines Vassallen 73 a Nr. 2, der König die Bannleihe 48 b
Nr. 5, ein Richter das Beschaffen des Heiltums oder des Stäbers für eine Eidesleistung
81a Nr. 4, ein Urteüer die Folge 84 a Nr. 2, ein Beklagter die Antwort 0 70 a Nr. 3,
auch D 66 b Nr. 4, ein Gläubiger die Annahme der Zahlung D20b Nr. 2. Die weitere
Bedeutungsentwicklung gestaltet sich ähnlich wie bei dem allgemeinen Ablehnungsgestus
(S. 221 f.). Aus der des Verweigerns leiten sich ab die des Nichtzugestehens, Bestreitens
wie bei dem Lehenherrn, der eine Belehnung oder den Empfang der Mannschaft leugnet
D 73 a Nr. 1, 77 b Nr. 4, 72b Nr. 2, 75 b Nr. 4, 78 a Nr. 3, oder einem Heerschildlosen,
einem Ächter oder Verfesteten die Lehensfähigkeit abspricht D 64 a Nr. 3, H 6 a Nr. 3
(Taf. VI 3), dem Schöffenbarfreien, der das Zeugnis des Reichsdienstmannes nicht leiden
will 0 68 b Nr. 3, — sodann die Bedeutung der Feindschaft 91 a Nr. 1. Da Einer, der eine
Leistung mit Recht verweigert, sie nicht zu machen braucht, so führt die Bedeutung des
Verweigerns unmittelbar zu der des Nichtmüssens. "Wer nicht zu antworten braucht,
verschränkt die Arme D 38b Nr. 5, 52b Nr. 5, 79b Nr. 2, 3, 83a Nr. 4, H 14b Nr. 5
(Taf. XVI 8), ebenso wer nicht zu urteilen, nicht Zeugnis zu geben, keine Heeresfolge,
keinen Ersatz zu leisten, ein Gelübde nicht zu erfüllen, ein Gut nicht aufzulassen oder zu
leihen braucht 87a Nr. 3, 72b Nr. 1, 69a Nr. 4, 74b Nr. 4, 75a Nr. 1, 76a Nr. 4,
77a Nr. 1. Da man ferner mit Recht verweigert, wozu man von Rechts wegen unfähig
ist, so verschränkt auch die Arme, wer unfähig zum Richten, zum Urteilen, zum Zeugnis-

') Vgl. auch Genealogie 338 f.

2) Z. B. Stitnys Erbauungsbuch (Prag. K. Bibl.) bei B. Grueber Die Kunst des Mittelalters
Böhmen III Fig. 135. Oft in der Hedwiglegende zu Schlakenwerth (her. v. Wolf skr on).

3) S. Einleitung zur Anagabe der Dresdener Bilderhs. 39.
 
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