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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0075
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236

Nr. 5. 86b Nr. 3 nimmt der wettende Vassall gegenüber seinem Herrn seinen Rockschoß,
in 18 a Nr. 5 nimmt Einer, der dem Grafen 3 Schillinge wettet, diesem gegenüber mit
der linken Hand seinen Mantel auf, während er die rechte über die auf einem Zahlbrett
liegenden 3 x 12 Pfennige hält und der Graf mit seiner rechten Hand den Mantel des
Wettenden anfaßt. Auf dem entsprechenden und deutlicheren Bilde in 0 32 a Nr. 2
(Gegensinn) zeigt der Wettende mit der Rechten auf die 3 x 12 Pfennige, die hier auf
keinem Zahlbrett liegen, sondern in der Luft schweben. In D 26 a Nr. 4 (= 0 45 a Nr. 4),
42 a Nr. 1 hebt als Empfänger des Gewette der Richter, in D 83 a Nr. 6 der Lehenherr
den Rockschoß auf. In 0 73 a Nr. 4, einem Bilde, das D 42 a Nr. 1 entspricht, scheint
der Richter seinen Mantel oder ein Tuch aufzunehmen. Die Hauptstellen für die Gegen-
seitigkeit des symbolischen Aktes befinden sich in der Reihe jener Bilder, die das Gewette
in seinen verschiedenen Ansätzen von dem des Königs bis hinunter zu dem des Bauer-
meisters veranschaulichen wollen D 48 b Nr. 3, 4, 49 a Nr. 1—4, H 22 b Nr. 3, 4, 23 a
Nr. 1-4 (Taf. XXIV 11, XXVI 2, 6-11), 0 82b Nr. 2—4, 83a Nr. 2-6.*) Hiezu
kommen noch die Illustrationen des einem Lehensherrn gebührenden Gewette D 82 b Nr. 5,
83a Nr. 1—3, b Nr. 1, 2, 5 und des dem geistlichen und dem weltliehen Richter zukom-
menden 85 a Nr. 6. Die Parallelen aus den Hss. der Y-Gruppe und aus 0 (N) ergeben,
daß schon X das ,Wetten; so veranschaulichte, wie wir es in den erhaltenen Hss. beob-
achten. Gibt der Text die Summe des Gewette an, so versinnlicht sie das Bild mittels
Ziffern und einer bestimmten Menge von Münzen2) oder auch bloß mittels der letzteren allein.
Unwesentlich sind Begleitgesten. In H sieht man öfters nur die Hand, welche den Rock-
schoß aufnimmt. Sonst allerdings begleitet der ,Wettende' das Aufnehmen seines Mantels
oder Rockes mit einer Nebenbewegung der andern Hand, sei es mit dem Redegestus
(oben 175) oder sei es daß er mit dem Zeigefinger oder mit der ganzen Hand den Blick
des Beschauers auf das Geld lenkt, das er ,wettet', sei es, — und dies ist das Gewöhn-
lichere, — daß er den Zeigefinger aufstreekt (vgl. S. 214). Diesen letzteren Begleitgestus
pflegt auch, wofern er die Hand dazu frei hat, der Empfänger des Gewette auszuführen.
Doch kann er ihn durch den Redegestus ersetzen. Einmal, D 85 a Nr. 6, verbindet sich
mit der Gebärde des Wettens das reale Zahlen, indem der Wettende mit der andern
(rechten) Hand die Geldstücke hinzählt. Was die Körperhaltung der beiden Personen
betrifft, so geziemt es dem Empfänger, als Träger obrigkeitlicher Gewalt, zu sitzen. In
Y muß das stellenweise nicht deutlich genug erkennbar gewesen sein, so daß der Zeichner
von D 49 a sich veranlaßt sehen konnte, den Empfänger stehen zu lassen. Der ,Wettende'
pflegt zu stehen, und Kopp Bilder und Schriften I 120 hat hierauf Gewicht gelegt, weil
oberdeutsche Rechtsbücher3) sagen, daß man einem Andern stehend ,wetten' solle. Aber
sowohl in H wie in 0 findet sich, daß auch der Wettende sitzt, H Taf. XXV 5, 8, 9,
0 83 a Nr. 4.

Man hat diese Darstellungen des ,Wettens' fast4) immer für subjektiv-symbolisch

1) Über diese Kompositionen vgl. Genealogie 331, 369, 382.

2) Vgl. d. Einleitung zur Ausgabe von D 24.
5) Dsp. 109. Swsp. (L) U7b.

*) Der Rezensent Kopps in der Hallesehen Literaturzeitung 1820 I Sp. 130 f. zieht zur Erklärung
die (auf antiker und altchristlicher Tradition beruhende) Hand Verhüllung heran. Dazu vgl. jetzt Kraus
Kunstgesch. I 117, Vöge Malerschnle 304. Dieser Ehrfurchtsgestus wäre allenfalls beim Gelober des
 
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