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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0085
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2U

Rest von ihr auch in der auffälligen Erhebung der rechten Hand des Mündels in W35b
Nr. I.1) Es ist freilich, da er die linke Hand müßig hängen läßt, nur eine halbierte
Kommendation. Aber auf dem entsprechenden Bilde in 0 52 b Nr. 3 ergreift die linke
Hand den Mann, dem die Vormundschaft ,anerstirbt1 am Ellenbogen, gleichsam um ihn
herbeizuziehen, so daß nur eine Abbreviatur des Ergebungsritus übrig bleibt.

Die Ssp.-Illustration überliefert sogar noch eine Anwendung der Kommendationsform,
die an ihre ursprüngliche Bedeutung erinnert. Zu Landr. IH 9 § 4 schildert 0 66 b Nr. 2
in einer Komposition, welche dieser Hs. allein eigen, u. A. wie der Prozeßbürge eines
Gefangenen diesen vor Gericht stellt: der Richter umschließt mit seinen beiden Händen
die rechte Hand (oder beide Hände?) des vor ihm stehenden Gefangenen. Auch hier eine
künstlerische Übertragung anzunehmen, dürfte sich kaum empfehlen, teils weil es sich
nicht um Hingabe oder Ergebung unter eine Munt handelt, teils weil das dare manus ad
ligandum se als rechtliches Kennzeichen der Ergebung in Gefangenschaft durch Ed. ßothari
32, 33 bezeugt ist.

24. Die Umarmung. Zunächst Symptom für den Affekt der Liebe ist sie zum
energischen Zeichen für ausnahmslos friedliche Beziehungen geworden und kommt in dieser
Funktion bei Landr. I 8 § 3 und zwar in D 6b Nr. 3, 0 IIa Nr. 2 vor. Der Test ver-
langt sie nirgends, aber a. a. 0. spricht er von einem Fall, wo eine Sühne oder
Urfehde abgeschlossen wurde. Nach verschiedenen deutschen, insbesondere niederdeutschen
Rechten gehörte zu den Formen der Todtschlagsühne der Friedenskuß.2) Auch dem
Ssp .-Illustrator sind Umarmung und Kuß — die Kopfhaltung zeigt, daß die sich Umarmenden
einander küssen, — Symbole der geschlossenen Sühne, und es steht hiernach außer Zweifel,
daß die ,Mundsühne' auch sächsischen Rechtens war.

25. Das ,Bestätigen'. Im Ssp. bedeutet dieses Wort ein Zustehenbringen in feind-
lichem Sinne, ein Festnehmen. Auf den Bildern geschieht dies bald ohne Gebärde, wie
D 23 b Nr. 1, wo man einen Verfesteten in Ketten schmiedet, D 52 a Nr. 2, H 26 a Nr. 2,
14 b Nr. 2 (Taf. XXVIII 7, XVI 5), 0 67 b Nr. 2, wo man Einen durch Anpacken an
seinen Armen oder wenigstens an einem Arme ,bestätigt', — bald nur durch eine Gebärde,
welche als Abbreviatur solches darstellt, wie in D 46 b Nr. 2, wo der Fronbote einem
Enteilenden von hinten her die linke Hand auf die Schulter legt,3) während er in der
rechten die Geißel tragt. Diese Arrestationsform muß einst in weiter Verbreitung gegolten
haben. Die Lex Alamann. 58 (66) unterscheidet ein rechtmäßiges und ein unrechtmäßiges
viam contradicere, welches durch manus injicere geschieht. Die Lex Baiw. III 1 § 3 hat
für das manus injicere den technischen Ausdruck infanc. Noch Du Cange gibt arrestare

1) Ergänzungstafel 3 hinter der Ausgate von D. Das Bild gehört zu Landr. II 33 {39).

2) H. Brunner in Zschr. der Sav-Stiftung f. RechtsgescJiichte III (germ. Abt.) 16, 59 f. Warnkönig
Flandr. Sechtsgesckichte III Abt. 1, 190 ff. J. Grimm Rechtsalterth* I 198. Du Cange Gloss. s. v.
Osculum 2 (pacia). K. Stallaert Glossarium s. vv. Montsoen, Montsoener. Noordewier Nederduitsche
Regtsoudkeden 14, 36. K. v. Richthofen Untersuchungen ü. fries. Bechtsgeschichte II 1 S. 121.

3) In 0 80a Nr. 3 (Gegensinn) ist aus diesem Gestus ein Fingerzeig geworden. — Nicht hieher
gehört D 41 a Nr. 5; s. oben S. 207 Note 3. Ebensowenig H 12a Nr. 2 {Taf. XIII 2), wo das Anpacken des
Gefangenen auch nicht, wie Weber meint, mit der Bürgschaft etwas zu schaffen hat; die deutlichere
Zeichnung in 0 63 b Nr. 2 ergibt, daß einer den Gefangenen umfaßt, um ihn festzuhalten, genau so wie

0 43 b Nr. 1 und 66 a Nr. 2.
 
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