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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0088
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249

(Taf. XXXII 11) erlaubterweise von der Klagspartei, unerlaubter vom Richter aus.1) Man
beachte nun, daß auch das Freiberger Stadtrecht XXVII 14, 15, obgleich es über das
,Angreifen' beim Kampfesgruß die umständlichsten Regeln aufstellt, sich damit begnügt,
wenn der Angriff am ,obersten Kleid' geschieht. Anderseits freilich gestattet diese Quelle
nur, daß man ihn ,rait zwei Fingern' ausführe; mit Urteilen muß die Unschädlichkeit
,bewahrt' sein für den Fall, daß etwa noch ein anderer Finger das Kleid berühren könnte.
Von dieser schon mehr zaghaften als ,gezogenlichenl Form wissen unsere Illustratoren nichts.2)

27. Der Halsschlag, ebenfalls eine Form des JJnterwindens', aber geltend nur dem
Unfreien, dessen sich sein Herr unterwinden will, Landr. III 32 § 9.3) Die Bilder zeigen
den Halsschlag auch nur bei dieser Stelle: D 40b Nr. 5, H 16b Nr. 6 (Taf. XVIII 9),
0 71 b Nr. 1. Überall schlägt der Herr mit der flachen rechten oder linken Hand dem
Eigenmann nach dem Hals, in H und 0 mehr von der Seite, in D von oben her, während
er ihn mit der andern Hand, sei es am Arm oder an der Schulter, festhält. Nur teilweise
verwandt mit dem Halsschlag ist der Backen streich, dem nach Chron. Novalic. IH 14 die
servi transcornati ihren Ursprung verdankten, — näher das Berühren des Halses eines sich
in Unfreiheit Ergebenden mit der Hand4) und das Auflegen des Armes auf den Hals eines
sich Unterwerfenden (J. Grimm Mechtsalterth.* I 190, 202). Denn eben die Unterjochung,
die Verneinung der ,Freihalsigkeit', wonach in älterer Zeit der Freie genannt war,5) soll
dargestellt werden.

28. Die Schelte. Eine starke Gruppe von Bildern führt einen Mann vor, der mit
der rechten oder linken Hand den zum Schwur erhobenen Arm eines ihm Gegenüber-
stehenden oberhalb des Handgelenkes gepackt hält. Er scheint ihn am Schwören zu
verhindern, ihm die Hand herab- oder wegzuziehen, so D 21 a Nr. 4, 61 a Nr. 4, 70 a Nr. 5,
70h Nr. 2, 71a Nr. 4, 71b Nr. 4, 90a Nr. 4, O 37a Nr. 1, 71a Nr. 1, — ferner D 20a
Nr. 4, 71a Nr. 3, 91b Nr. 5, 92 a Nr. 1, H 16b Nr. 3, la Nr. 4 rechts (Taf. XVHI 7, I 6),
O 35a Nr. 2.. Überall ergibt der Text, daß es sich um ein ,Verlegen' d. h. Ausschließen
des Parteieneides oder des Zeugenbeweises durch ein gegnerisches Beweismittel handelt.
Da dieses Verlegen kein Willensakt einer Partei, sondern nur der metaphorische Ausdruck
für eine von Rechtswegen gegebene prozeßuale Lage, so ist ohne weiters der subjektiv-
symbolische Charakter der Gebärde offenbar. Aber der Künstler von X, der sie in dieser
Bedeutung einführte, hat sie aus der objektiven Rechtssymbolik übertragen, wo sie zum
Ritus der sog. Eidesschelte gehörte.6) "Wir bezeichnen sie darum als den Scheltegestus.

') D 56 a Nr. 2 hat die Szene stark umgearbeitet.

2) Die Gebärde hat immer die nämliche Bedeutung. Das Gegenteil hält "Weber Teut. Denkmäler 36
für möglich; aber sein Auge täuschte ihn, wenn er meinte, in H Taf. XVIII 8 (16 b Nr. 4) fasse der Herr
den sich Ergebenden am Halse.

s) Geradezu dem Text zuwider meint verständnislos die Glosse: ,daß der Herr diesen Schlag für
seine Buße hat'.

*) Lindner Die Veme 389 (a. 1353).

5) J. Grimm a. a. O. 392 f. H. Brunner Deut. Bechtsgeseh. I 95. R. Schröder Lehrb. d. deut.
Rechtsgesch* 51. W. Brückner Die Sprache der Langobarden 78.

6) J. Grimma, a. 0.11559. H. Brunner a. a. O. II434. Vgl. das abstreichen in Brunn. Sehöffenb. 462.
— J. Grimm verwechselt übrigens, indem er die Sap.-Illustration zitiert, die Eidesschelte und ihre
subjektiv-symbolischen Nachbildungen. Ebenso "Weber Teut. Denkmäler Sp. XXXI.
 
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