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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0089
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250

In seiner ursprünglichen, realen Funktion kommt dieser jedoch in der Ssp.-Illustration
nicht vor, weil der Text keinen Anlaß dazu bietet. Dagegen setzen sich die künst-
lerischen Übertragungen weiter fort. Der Schelfcegestus kann nicht nur das Verlegen eines
Zeugenbeweises, sondern auch das Abstreiten der Zeugnisfähigkeit ausdrücken H 1 a Nr. 3
links (Taf. I 5),1) ferner das Bestreiten der Lehenfähigkeit D 89 a Nr. 3,2) das Bestreiten
des Rechtsschutzes D 23 b Nr. 3, 0 40 b Nr. 1, das bloße Vertagen .der Annahme eines
Eides D 65 b Nr. 3, ja sogar das Leugnen eigenen Wissens des (vermeintlich) Scheltenden
wie in D 21a Nr. 6, 0 37 a Nr. 3, wo er den Arm des in ein Gut Eingewiesenen ergriffen
hat und schwört, nichts von der Einweisung gewußt zu haben. Näher lag die Über-
tragung von der Eidesschelte auf die Urteilsschelte, indem der Illustrator den Scheiter
bloß die erhobene Hand des Urteilfinders brauchte ergreifen zu lassen D 25 a Nr. 2, 50 a
Nr. 3, 84 a Nr. 3, H 24 a Nr. 3 (Taf. XXVI 7), 0 43 a Nr. 4, 84 a Nr. 5. Zwischen den
beiden Schelten bestand eine gewisse Analogie. Aber einen Ritus von der Art desjenigen
bei der Eidesschelte schloß das Verfahren bei der Urteilsschelte,3) wie es uns u. A. der
Ssp. selbst beschreibt, geradezu aus, selbst wenn wir nach S. 199 f. annehmen, daß der
Urteilfinder seinen Spruch mit einer Handbewegung zu begleiten hatte. Die Schelte folgte
hier dem Spruche nach, dann aber entweder sofort oder nach einem ,Gespräch', jedenfalls
in einem Zeitpunkt, wo der gescholtene Urteiler seine Hand schon zur Ruhe gebracht
hatte. Schon in einigen der erwähnten Übertragungsfälle kann der Scheltegestus das
Bemäkeln einer Person anzeigen. Am unmittelbarsten und vollständigsten geschieht
dies in D 92 a Nr. 2, wo ein Vassall in dieser Form ,die Weisung verlegt', d. h. den Lehen-
herrn, an den ihn der Oberherr ,gewiesen', zurückweist, und D 18 a Nr. 1, 0 31 b Nr. 3,
wo eine Prozeßpartei ihren Vorsprecher absetzt; vgl. oben 195.

Es bezeichnet die subjektive Art dieser Übertragungen, daß der Scheltegestus wie
mit der Hand, so auch mit jener phantastischen Gabel ausgeführt werden darf, wovon ich
auf S. 29 der Einleitung zur Ausgabe von D gesprochen habe; vgl. D 71b Nr. 1.

29. Das Führen. Die Einweisung' und ,Wältigung', d. h. die Einsetzung des
Klägers in den Besitz eines erstrittenen Grundstückes, deren Landr. I 70 § 1 gedenkt.
geschieht nach 0 37 a Nr. 2 (Gegensinn), indem auf Befehl des Richters dessen Bote mit
seiner rechten (sc. linken) Hand den Kläger am linken (sc. rechten) Unterarm ergreift4)
und zu dem Hause hinführt, auf dessen offene Tür er mit der linken (sc. rechten) Hand
weist;6) vgl. oben S. 210. Ganz eigentlich von diesem seinem symbolischen Bestandteil
trug das ganze Verfahren den Namen der Anleite und der Exekutionsbeamte den Namen
des Anleiters (inductor).6) Verwandt mit diesem Einführen ist dasjenige, welches bei der

') Wie es in Wirklichkeit dabei zuging, zeigt Planck Deut. Gerichtsverfahren II 223.
2) Hiezu a. Horaeyer Anm. zu Lehenr. 75 § 2.
8) Planck a. a. O. I 274 f.

4) Diese Art des Führens war ira Altertum Sitte, daher der antiken und altchristl. Kunst geläufig.
Sittl Gebärden 81, 131, 279 f. Garrucci Taf. 210, 2; 262,3.

5) Anders D 21 a Nr. 5, wo der Bote, und Görlitz Milichsche Ha. fol. 106 a, wo der Richter selbst
den Kläger hinschiebt. Die Petropaulin. Hs. zu Liegnitz hingegen I fol. 119a bewahrt bei sonst starker
Umarbeitung der Komposition das Motiv des Führens.

*) Haltaus Gloss. s. vv. Schmeller Bayer. Wörterbuch12 I 1528. Du Cange s. v. Anleit. Dazu
s. Archiv f. sächs. Geschichte N. F. XIII 227 f., 232, femer Weichb. XX 2.
 
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