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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0090
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251

Übertragung eines Amtes stattfand und noch heute namentlich bei der Installation
von kirchlichen Beamten stattfindet. Zwar bei Landr. III 56 § 1, wo der Text davon
spricht, wie den neugewählten Fronboten der Richter an der Hand zu seinem Stuhl führen
solle, haben die Illustratoren nicht diesen, sondern den darauf folgenden Akt zum Sujet
genommen. Bei der Einsetzung des Gogreven aber (Landr. I 55 § 2) deutet den ersteren
wenigstens 0 29 b Nr. 3 an, wo den schon Sitzenden einer der Dingmänner noch an der
rechten Hand hält: er hat ihn auf seinen Stuhl geführt. Inner- wie außerhalb des
sächsischen Rechtskreises ist diese Form der Richtereinführung durch literarische Quellen
beglaubigt.*)

Während so angewandt das Führen zum Ausdruck des Besitzversehaffungs-Willens
dient, kann es in andern Fallen Ausdruck des Besitzergreifungs-Willens werden, ins-
besondere, wenn der Führer den Geführten zu sich heranzieht. In D41b Nr. 6, H17b
Nr. 6 (Taf. XX 1), 0 73 a Nr. 3 ergreift so der Gläubiger Besitz an seinem Schuldknecht,
in D 15b Nr. 6 der Eintauscher am eingetauschten Dienstmann.2) Ersteres entspricht
bekannten und verbreiteten Rechtsbestimmungen, wonach der Richter den Schuldner dem
Gläubiger ,mit der Hand antworten1 muß.3) Die Besitzergreifung an der verbrecherischen
Hand eines Andern verwendet der Illustrator von D 28 b Nr. 3, um die Handhaftigkeit
der Tat zu verbildlichen: die Hand, die falsches Geld ausgibt, wird in diesem Augenblick
ergriffen und der Missetäter selbst so manufestus. Auch die Gefangennahme eines Menschen
wird dargestellt durch Mitführen desselben W 34a Nr. 2, 0 50b Nr. 2. Von der Besitz-
ergreifung aus entwickelt sich die Bedeutung des (rechtmäßigen) Besitzes oder des Besitz-
rechts, wozu der Wortlaut des Textes im Landr. III 32 (33) § 7 den Anstoß gibt: in
D 40 b Nr. 4 nämlich ,nimmt' durch Heranziehen an der Hand der Herr eines gestorbenen
Eigenmannes dessen Kind, d. h. es gehört ihm. Aber nicht bloß Eigentum, auch elter-
liche Gewalt, ja bloß natürliche elterliche Beziehungen stellen sich so vor: In D50b Nr. 5,
51 a Nr. 1, H 24 b Nr. 5, 25 a Nr. 1 (Taf. XXVII 4, 5) ziehen die deutsche Mutter, der
wendische Vater die ihnen folgenden Kinder am Arm heran, in D 44 a Nr. 3, H 20 a Nr. 3,
0 77 a Nr. 1 der Pfaffe das seinige. In gleicherweise wird auch das Recht der Frau an
ihrem Manne veranschaulicht D 51 a Nr. 5, H 25 a Nr. 5 (Taf. XXVII 9), 0 85 b Nr. 2,
aber auch ein Anspruch, den die Frau auf Grund dieses Rechts erhebt, wie in D IIb
Nr. 4, 0 20 a Nr. 1, wo sie ihren Mann an der Hand aus dem Kloster zieht, — weiterhin
noch allerhand andere Ansprüche, als da sind das ,Ausnehmen' eines Kindes durch seinen
Vater D 26 b Nr. 3, 0 45 b Nr. 3, das Begehren eines Vorspreehers D 17 b Nr. 3, 82 a Nr. 3,
0 31a Nr. 1 und der obrigkeitliche Befehl an einen Vorsprecher D 17 b Nr. 4, 18 a Nr. 2,
0 31a Nr. 2.

i) Dreyhaupt Saalkreis II 473, 477 (Halle a. 1450, 1484). J. Grimm Weisthümer II 535, 543, 544.
Vgl. auch die Schöffeneinführung das. II 549, 657, III 837, Gengier Deut. Stadtrechte 425.

2) Diese einfache Szene ist aufs Gründlichste mißverstanden von Grnpen Teilt, Alterth. 2 f., sowie
von Dreyer bei Spangenberg Beiträge 38, — ein Beweis, wie notwendig die Rücksichtnahme auf
den Text ist. — In O 27 b Nr. 2 umschließt der Eintauscher die Hand des eingetauschten Dienatmannes
mit seinen beiden Händen, als ob er eine Kommendation entgegennähme. — Der Käufer eines Eigen-
mannes ergreift diesen am Unterarm im Hortus deliciarum bei Straub pl. XII bis.

3) Ssp. III 39 § 1 var. 3. Richtst. 41, 7. Freiberg Stadtr. V 32. Weichbild XXVII 4. Rechtsb. n.
Dist. 111 9 d. 3. Iglau Stadtr. 37. Brunn Schöffenb. 178. Prag Stadtr. 78. Willkür der Sachsen i. d. Zips
a. 1370 § 28. Ofener Stadtr. 160 § 2. — Antike Analogien bei Sittl Gebärden 130 N. 1.
 
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