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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0091
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252

Eine dieser Darstellungen, das ,Ausnehmen' berührt sich ungefähr mit dem ober-
sächsischen Rechtsbrauch, wie ihn die Glosse des N. Wurm zu Landr. II 17 beschreibt:
das kint sol im sten esu der linken hant ... so sol er mit den cswen vordersten vingern
des Tdndes rechte hant, sine cswen vordervinger, begreifen und sol das Tdnt leiten vor im und
sol das Mnt weisin Mnder im und sol das hint haldin und fragin noch eim urteil etc. Auf
den Bildern geht es weniger ,gezogenlich' her: der Vater faßt das Kind mit der ganzen
Hand am Unterarm, wie regelmäßig der Leitende den Geleiteten in der ganzen hier ver-
einigten Bildergruppe. Daß er es mit der linken Hand tut, erklärt sich aus der Gleich-
zeitigkeit des Schwurgestus, den die rechte Hand auszuführen hat. Dieses steht in vollem
Einklang mit den Bestimmungen des Freiberger Stadtrechts XXIH 4 über das Ausnehmen
eines Gewaltuntertanen durch eine Frau: so mac si eines urteiles Uten, ab si die gewalt in
di hant icht nemen sulle. so sol man teilen . . . das si si billiche in di hant nemen sulle . . .
so sdl man teilen, si sulle si in ir linke hant nemen und sulle mit der rechten di wile
stveren. In ihren Grundzügen scheint diese Form des Ausnehmens von hohem Alter.
Denn auch auf einer Miniatur der französischen Digestenhs. Clm. 14022 zu L. XV depeculio
ergreift der Vater den Sohn, wegen dessen er antworten soll, an der Hand.

In andern Anwendungsfällen stellt das Heranführen eines Andern, den der Führende
auch hier regelmäßig wieder am Unterarm, nur ausnahmsweise an der Hand gefaßt hält,
das Herbeiholen dar, das jedoch nicht körperlich zu nehmen ist, vielmehr in einem
Auftrag, einer Bitte, Einladung, Auswahl bestehen kann. D 84 a Nr. 6 gibt ein Lehen-
herr Boten, indem er sie am Handgelenk heranführt; 73b Nr. 5 stellt Einer so einen
Bürgen; 55b Nr. 6, H 29 b Nr. 6 (Taf. XXXII 9) nimmt so der Hausherr einen Gast auf.1)
Am Oberarm, weil er ihn am untergeschlagenen Handgelenk nicht fassen kann, sucht in
D40b Nr. 4 der sich zu Eigen Gebende seinen sich sträubenden Erben herbeizuziehen:
er bittet ihn um seine Zustimmung.2) In D 15 b Nr. 5 dagegen führt der Vergaber seinen
Erben am Handgelenk herbei, damit er zustimme.3) Die Bedeutung des Herbeiholens
geht über in die des Vorstellens, Bezeichnens in D 68a Nr. 3, wo der Oberherr aus
Mehreren den Unterherrn heranführt, an den er den Untervassallen ,weisen' will, — in
H 8 b Nr. 1 (Taf. VHI 9), wo einer der Dorfleute den gemeinen Hirten heranführt, um
den Dreihufenbauern auf ihn zu verweisen.

30. Das Aufhalten. An ein paar Stellen ergreift Jemand eine vor ihm stehende
Person am Oberarm, sie gleichsam zurückhaltend, so H 16 b Nr. 4 (Taf. XVIH 8) der Erbe
den sich in Eigenschaft Ergebenden, D 75 b Nr. 2 eine Frau ihren Lehenträger, während
dieser ihr Lehen weiter leiht. Beide Male symbolisiert der Künstler mittels des körper-
lichen Aufhaltens das rechtliche Hindern, das im Erheben eines Widerspruchs liegt. —
Noch kräftiger drückt er sich aber aus, wenn er das Festhalten nicht an einem Körperteil,
sondern am Rockzipfel oder am Mantel4) geschehen läßt. Das kann ebenfalls Wider-

1) Das gleiche Szenenschema zum gleichen Zweck auf der Casel von St. Blasien (13. Jabrh.) bei
P. X. Kraus Der Rirchensehatz v. St. Blasien Taf. II.

2) In 0 71a Nr. 4 greift er nach ihm mit beiden Händen. — Gänzlich mißverstanden ist das Bild
bei Weber Teut. Benkm. Sp. 65 f., da er es auf Ssp. III 32 § 6 statt auf § 7 bezieht.

3) Das entsprechende Bild aus W bei Grupen Teut. Alterth. Taf. zu S. 1 (oben). Grupen a. a. 0. 2
und (ihm folgend) Homeyer Anm. zu Ssp. I 52 § 1 verwechseln die Kontrahenten.

*) Vgl. das Aufhalten am Mantel H 26 a Nr. 2 (Taf. XXVIII 7).
 
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