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Amira, Karl von
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1171#0092
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253

sprechen bedeuten wie in D 12 a Nr. 6, wo der Mann nach dem Mantel seiner Frau greift,
während diese eine Vergabung vornehmen will, öfter bedeutet es Ansprechen wie in
D 60b Nr. 2, 69a Nr. 3, 4, wo ein Vassall seinen Herrn am Rockzipfel faßt, Ersatz
heischend, H 16 b Nr. 5 (Taf. XVIH 9), 0 71b Nr. 1, wo Einer in derselben Weise einen
Andern als seinen Eigenmann anspricht.

31. Die Vertreibung. Schon S. 220 wurde gesagt, daß der allgemeine Ablehnungs-
gestus eine andere darstellende Gebärde, das Wegschieben einer Person, nachahme.
Von jenem unterscheidet sich dieses nur dadurch, daß die Hand oder die Hände die weg-
geschobene Person vorne oder von hinten her berühren. Die Bedeutungsentwieklung
nimmt im Ganzen hier einen ähnlichen Gang wie dort, weswegen denn auch, wie aus
S. 220 N. 1, S. 221 N. 2, 3 ersichtlich, in der einzelnen Komposition der Ablehnungsgestus
an die Stelle des Wegschiebens hat treten können. In der symbolischen Grundbedeutung
hält sich jedoch diese Gebärde noch mehr in der Nähe von dem Begriff des räumlichen
Verdrängens, wie D 28a Nr. 2, 53b Nr. 5, 0 47b Nr. 4, H 27b Nr. 5 (Taf. XXX 7),
wo Einer einen Andern durch Hinausschieben aus einem Grundstück aus der Gewere
weist oder entwältigt. Von hier aus entwickelt sieh D 28 a Nr. 4, 0 48 a Nr. 2 der Begriff
des prozeßualen ,Abgewinnens' der Gewere, D 64a Nr. 4, H 6a Nr. 4 (Taf. VI 4)
des Zutrittverbotes (vgl oben S. 221 N. 1), H 9b Nr. 3 (Taf. IX 8), 0 59a Nr. 3 des
Kündigens einer Gutsleihe, D8b Nr. 4, 5, 15b Nr. 1, H28a Nr. 3 (Taf. XXX 11),
0 14b Nr. 3, 15a Nr. 1, 26b Nr. 4 der Begriff des Ausschließens von einer Erb-
schaft. Nicht mehr im Sinne des Verdrängens, aber in dem des Nichtfesfchaltens dient
das Hinausschieben aus einem Hause D43a Nr. 2, H19a Nr. 2 (Taf. XXI 2), 0 75 a Nr. 2
zum Zeichen der Freilassung, wobei nur zu bemerken, daß dort nicht gerade die künst-
lerische Phantasie ihr Spiel getrieben zu haben braucht. Denn neben der weiten Ver-
breitung des manu mittere bei der Freilassung wäre die nicht weniger weit verbreitete
Freizügigkeitsformel zu erwägen (J. Grimm Rechtsaltetih.* I 458 f.). Von der Freilassung
eines Eigenmannes aus ergibt sich aber die Möglichkeit, auch die Befreiung eines Gefangenen
durch dessen Wegschieben zu veranschaulichen D 38 a Nr. 3, H 14 a Nr. 3 (Taf. XVI 1),
0 66 b Nr. 3. Durch Fallenlassen des räumlichen Merkmals aus der Grundvorstellung
gewinnt der Künstler den allgemeineren Begriff des Zurückweisens: z.B. eines Klägers
durch den Beklagten D 10a Nr. 1, 38b Nr. 1, 40b Nr. I,1) H 14b Nr. 1 (Taf. XVI 4),
0 17a Nr. 1, 67b Nr. 1, — eines zu spät Mutenden durch den Lehenherrn D 68a Nr. 5,

— eines vorlauten Zeugen durch die Gegenpartei D 41b Nr. 1, H 17 b Nr. 1 (Taf. XIX 6),
0 72 b Nr. 3, — eines Kämpen durch den Vater des unehelichen Kindes D 15 a Nr. 4,

— eines ungeeigneten Richters durch die Dingleute D 85 b Nr. 5. Das , Verlassen' der
Ehefrau im Text III 57 § 1 gibt der Künstler als ein Verstoßen im buchstäblichen Sinn
D 46b Nr. 5, 0 86b Nr. 1. Aus der Bedeutung des Zurückweisens entwickelt sich die
des Verzichtens und des Nichtbrauchens, wie in H 6b Nr. 4 (Taf. VI 8), wo die Partei
die ausgebliebenen Zeugen auch noch zurückschiebt, weil sie ihrer nicht bedarf.

Durch Kombination zweier Vertreibungsgesten nach entgegengesetzten Richtungen
entsteht — vorbildlich für den Ablehnungsgestus (oben S. 222) — eine subjektiv-symbolische

') Die Erklärung von Weber Teut. Denkmäler Co verwechselt die Personen.
Abh. d. I. Kl. d. K. Äk. d. Wiss. XXIII. Bd. II. Abt.
 
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