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Wolfram <von Eschenbach>; Amira, Karl von [Hrsg.]
Die Bruchstücke der großen Bilderhandschrift von Wolframs Willehalm: farbiges Faksimile in zwanzig Tafeln nebst Einleitung — München, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.14782#0016
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uncfe amptfiute, icß ßevefße tu äffen ßiute den marßis
an mine stat, der micß durc ßumßer ßeffe ßat. Wegen
des Dienststabes siehe meine Abhandlung „Der Stab in
der germanischen Rechtssymbolik" 1909, S. 52 — 65. Rechts
vom König muß der „Markis" seinen Platz gehabt, und
auch ihm muß eine Befehlsgebärde, von des Königs rechter
Hand, gegolten haben, da sich schon vom Beginn des Ab«
Schnittes an nicht weniger als 17 Verse auf Willehalm
beziehen, der König sogar ihn selbst anredet: swager, get
naßer mir; icß weiz nu fange wof, daz ir wof ßunnet ßer
feiten... Die Stelle ist für den Gang der Begebenheiten von
besonderer Wichtigkeit, da hier der Oberbefehl über das
Heer dem Markgrafen übertragen wird. Übergehen konnte
Nr. 2. sie also der Illustrator nicht. — In Nr. 2 nimmt die links
vom sitzenden König stehende Königin das Wort: Swer
minem ßruder ßir gestet (= beisteht), swaz den im ßer
ane get (== widerfährt) mit ßumßerficßer tete, min ßerce
git de rete, daz icß daz wendicß macße. Sie zeigt mit der
rechten Hand auf den vor dem Herrscherpaar stehenden
Markgrafen, von dessen linkem Ellenbogen gerade noch
ein kleines Stück erhalten ist. Vermutlich war rechts von
ihm noch eine Figur zu sehen, welche die von der Königin
Angeredeten repräsentierte. DerRedegestus von des Königs
rechter und der Fingerzeig seiner linken Hand stellen ihn als
zustimmend dar und entrücken so die Figur der Gleich-
Nr. 3. gültigkeit. — Nr. 3 eröffnet die zu Abschnitt 212 gehörige
Bildergruppe. Der Schreiber hatte mit einem kleinen d den
Maler dazu angewiesen, die Initiale des Textes hier zu
wiederholen. Von ihr hat die Schere des Buchbinders noch
einen winzigen Rest übrig gelassen. Vor dem thronenden
Königspaar steht Willehalm, dessen Gestalt sich zu den
vorliegenden Überbleibseln wenigstens ungefähr ergänzen
läßt. Hinter ihm, rechts, haben wir uns noch die „Fürsten"
vorzustellen, die jaßen, eynem ir genoz weren se gerner
undertan, dan deßeynem des ßuninges amptman. Hin«
gegen der Marschall, der Ritter, der Schenk, der den Trunk
geben, der Truchseß, der beim Kessel stehen, der Kämmerer,
der den Kriegern ihre Pfänder quitt machen sollte, sind nur
am Fuß der Schriftkolumne symbolisch angedeutet: der erste
durch eine Getreidegarbe, der zweite durch ein Scheffel, der
dritte durch den Kessel, der vierte durch das (versetzte)
Schwert und die zu seiner Auslösung bestimmten Pfennige.
des marßraßen geßot dürfte wohl durch einen Befehls«
gestus der Willehalm-Figur nach rechts hin ausgedrückt ge«
wesen sein, und die Leute, die ihm zu gehorchen versprechen
(wir weffen des marßraßen geßot gerne feisten usw.),
durch ein paar Figuren am Blattrand. — Mit M 2 gehörte
wahrscheinlich M 3 zum inneren Bogen einer Lage, da sich
Taf.V. M 3a inhaltlich unmittelbar an M 2b anschließt. Der
Text, der auf M 3 gänzlich verloren gegangen, umfaßte
Abschnitt 212 v. 15 bis hinein in Abschnitt 214, dessen
Illustration jedoch erst auf dem nächsten (und fehlenden)
Blatt untergebracht war. Auf M 3a reichte er, wenn wir
hier 30 Verse annehmen, bis Abschnitt 213 v. 15, so daß
die zugehörige Illustration noch Nr. 1 von M 3b in Anspruch
nahm. Einteilung und Fassung des Textes wichen von der
Vulgata sehr wesentlich ab. Die Verse 212,17—30 bildeten

einen geschlossenen kurzen Abschnitt, wie die Initiale D in
. Nr. 1 beweist. Sie eröffnete den Vers Der ßuning gap Nr. l
sefße sricßes vanen. Die Initiale A in Nr. 2 zeigt, daß
daneben ein neuer Textabschnitt anhub. Es kann nur mit
dem Vers Af diu werdern des ßuninges man (vgl. die
Varianten in Lachmanns Ausgabe5 S. 520) geschehen sein.
Nr. 1 von M 3 a schildert, wie der ßuning gap sefße
sricßes vanen dem marßis undßiez in manen daz ßer
um Munscßoie den ruf (Schlachtruf), „der minem vater
Karfe scßuf in strite manec ßoßern. diu nidern unde diu
oßern, ir stritet ßerge oder taf, sit gemant um srufes
scßaf" Rechts sitzend das Königspaar, links kniend der
„Markis" und hinter ihm stehend mit Ehrfurchtsgebärde
(s. oben Sp. 14) zwei Gerüstete. Dem „Markis" überreicht
der König die Reichsfahne, die hier die Form nicht eines
Banners, sondern einer Prozessionsfahne hat. Diese Form
kommt bei Kriegsfahnen selten vor. Erhalten ist ein solche
in der berühmten sogen. Cyriacus-Fahne von 1156 in der
Sammlung des Historischen Vereins zu Würzburg, die noch
1266 als Feldzeichen diente, abgebildet in Farben auf dem
Umschlag der „Altfränkischen Bilder" von Th. Henner
1903. Wahrscheinlich dachte unser Künstler an die fran«
zösische Oriflamme, die ebenfalls von Haus aus eine kirch-
liche Prozessionsfahne war, aber auch als Heerfahne benüzt
wurde, zuerst als Fahne des Klosters St. Denys, dann seit
dem 12. Jahrhundert bis zum zweiten Viertel des 15. als
Heerfahne des französischen Königs. Siehe die Dissertation
von Du Cange hinter dessen Glossarium X S. 59 —63
und das Glossarium selbst s. v. Auri flamma, ferner Vio«
lett-le-Duc, Dict. du mobilier franc. V 170, endlich über
die Sitte Kirchenfahnen als Feldzeichen zu benützen Du
Cange, Glossarium s. vv. Vexilla ecclesiarum, Vexillum
S. Martini. Das Kreuz in der Fahne des vorliegenden
Bildes ist durch Abschnitt 332 v. 22 begründet, wonacß des
ricßes vane daz ßriuze tragen soff Der Zeichner
hat also, wie wir schon oben Sp. 12 bei Willehalms Schild
sahen, bevor er an sein Werk ging, das Gedicht vollständig
studiert. Auffällig, daß der Maler an der Fahne seine Far-
ben gespart hat. Die Oriflamme war rot. Ein weißes Kreuz
in rotem Feld zeigte die „Sturmfahne" König Albrechts
(Ottokars Reimchronik v. 72638 — 72642), ein weißes
Kreuz in grünem Feld die böhmische Sturmfahne (ebenda
v. 16060— 16063). — Die Gebärde, die der König Loys
mit seiner rechten Hand ausführt, ist eine Variante des ge«
wohnlichen Befehlsgestus (siehe meine zitierte Abhandlung
über die Handgebärden S. 212) und paßt hier vorzüglich
zu der oben angeführten Rede. In der Art, wie die Königin
ihre rechte Hand an ihre Wange führt, hat sich ein Rede«
gestus verkümmert, der hier wohl nur die Belebung der
Gestalt bezweckt (a.a.O.191, 185) — Von Nr. 2 be« Nr. 2
zieht sich die rechte Hälfte, wo drei Männer, einer in weiß«
blau geschrägtem Rock, mit Ehrfurchtgebärde stehen, ver«
mutlich auf den Bericht: af diu werden, des ftuninges
man, namen von im urfoup dan ze varn uf diu ßervart.
Ganz klar ist die linke Hälfte, wo Rennewart vor dem
König steht: nu ßom der junge Rennewart, von arte eyn
zucßt im daz geriet, mit urfouße er dannen scßiet von
 
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