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Eike <von Repgow>; Amira, Karl von [Hrsg.]
Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels (Band 2) — Leipzig, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.22099#0121
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zu Lüneburg (Grundriß und Ansicht bei O.Stiehl, D. deut. Rat-
haus im MA. Abb. 182, 184). Oftmals sind die vier Bänke von
Schranken mit einem Eingang umgeben, wenn sie nicht selber
zugleich als Schranken dienen. Der von den Bänken umschlossene
Raum mußte es ermöglichen Rechtshandlungen dort vorzunehmen,
wenn auch für gewöhnlich Parteien nur mit besonderer Erlaubnis
des Richters eintreten durften. Dort aber mußte der Kläger samt
seinen Helfern Platz haben, um beim Übersiebnen des Beklagten
die Satzung vorzunehmen (s. oben 901), dort auch mußte die Par-
tei Platz haben, um von ihrem „Stäber" begleitet an das Reli-
quienkästchen (die „Heiligen") heranzutreten und einen Eid ab-
zulegen, ohne an die Schöffen oder an eine Bank anzustreifen
(Formeln bei Homeyer, Richtst. 335, 336). An ungezählten Stel-
len steht demgemäß das Reliquienkästchen vor dem Richter, was
bezeichnend ist für die Änderung, die in Deutschland spätestens
während des 13. Jahrhunderts in der Grundanlage des Beweisver-
fahrens sich durchzusetzen beginnt. Denn ursprünglich und noch
in fränkischer Zeit wurde nicht dem Richter bewiesen, sondern
dem Gegner, daher der prozessuale Eid nicht notwendig vor Ge-
richt, sondern außerhalb desselben geschworen (Grundriß des germ.
R. §§89, 91 a.E.)i).

Um über die Verteilung der Plätze auf den 4 Bänken Genaueres
zu sagen, fehlen die Anhaltspunkte. Sicher scheint nur, daß die

J) Das Reliquiar (die capsa oder kefse) hat die Gestalt eines viereckigen oder runden
Gehäuses mit Dach und ist in D stets vergoldet. In O ist es gelb bemalt, also ebenfalls
als vergoldet vorzustellen, während es in H bald gelb, bald rot, bald grün bemalt ist.
Solche Reliquienbehälter sieht man auch auf dem Gerichtstisch im Herforder Rb. (bei
Philippi, Alias Taf. 30) und auf dem Ratstisch in der Hamburger Rilderhs. (bei
Reincke Taf. 11). Sie gehören in die Klasse der im Anzeiger f. Kunde d. deut. Vorz. 1868
Sp. 311 f. und in den Mittheilgg. der ö. Central-Comm. 1862 S. 79, 1868 S. CXVff. Fig. 1—5
abgebildeten. Nachdem die Reformation mit den Reliquien aufgeräumt, bestand doch
der Prozeßformalismus auf Nachahmung ihrer Behälter. Eine fast skurrile befindet sich
in der Altert.-Sammlg. zu Göttingen, ein massiver Holzklotz in obiger Form und be-
malt (Weltgericht!) und auf dem einfüßigen Ständer fest gemacht, mit dem er nach
Bedarf der Eidesablage ins Gericht geschafft wurde. Auf einem kräftigen und bunt be-
malten Ständer (dem „Heiligenstock" Weist. I 891), ruht denn auch die Kefse regelmäßig,
wenn im Ssp. darauf zu schwören ist, Handgeb. 227f., 257f.

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