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Amsler und Ruthardt <Berlin> [Hrsg.]
Versteigerungskatalog / Amsler & Ruthardt: Das radierte Werk von Daniel Chodowiecki: fast vollständig in vorzüglichen alten Abdrücken, darunter Ätzdrucke, Probedrucke und die grossen Seltenheiten, Handzeichnungen, eigenhändige Briefe insbesondere die umfangreiche Korrespondenz an die Gräfin von Solms-Laubach ; Versteigerung zu Berlin 27. Oktober [1903 ff] — Berlin, Nr. 69.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.16353#0058
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BRIEFE.

hüten, nicht zu viel von den Fähigkeiten, die unser gütiger Schöpfer in uns
gelegt hat, zu fodern. Freilich ist das ein Hindernis für weibliche Künstler,
dass sie nicht können herumreisen und alles studieren, was männlichen erlaubt
ist, aber wieviel Hindernisse liegen nicht auch diesen im Wege — wie wenig
hab ich dieser Freiheit geniessen können! Und nun, da ich für das Wohl
einer immer stärker anwachsenden Familie arbeiten muss, wie selten mach ich
jetzt Sachen, worin ich so studieren kann, wie ich noch gern wollte und sollte.

Ich wollte gern einmal eine Folge von historischen Gegenständen be-
arbeiten, worin ich mich im eigentlichen grossen Ausdruck, in schönen Gewändern
und malerischen Stellungen , Zusammensetzungen, Beleuchtungen üben könnte,
und muss immer beim tändelnden Modekram der Romane bleiben. Für Lavater
hab ich einige historische Blätter zu machen gehabt und andre sind noch zu
machen, aber da kommt mir ein Genfer mit ein par Dutzend Blätter, die er zu
einer neuen Uebersetzung von der Ciarisse bestimmt, über den Hals; zu Salz-
mann seinem moralischen Elementarbuch soll ich 60 Zeichnungen liefern, wovon
ungefähr der dritte Teil erst gemacht ist; dann kommt ein Däne und will zu
Balders Tod etliche Blätter und ebensoviel zu den Fischern (beide von Ewald)
haben, da muss ich mich in das fabelhafte gothische Alterthum hineindenken, und
Bauer- oder Fischerkostüm studieren.

Haben Sie denn, meine edle Gräfin, nichts von Paulson seiner Arbeit in
Düsseldorf gesehen? Da er nach Rom reiste, hatte er in Hamburg etwas ge-
mahlt, das dort Beifall erhalten hatte, aber auf diesen Beifall kann man sich
nicht sehr verlassen. Seine Frau hab ich nicht gesehen, ich konnte nicht aus-
gehen, da er hier war.

Ich lebe jetzt von einem Theil meiner Familie abgesondert; meine Frau
und zweite Tochter sind nach Bourg zu der ältesten dort verheirateten gereist:
sie hatte ihre Mutter gebeten, ihr in ihren Wochen beizustehen. Sie hatte ihre
Rechnung bis zur Mitte des Hornungs gemacht, meine Frau rechnete ihr nach
und fand das Facit richtig; aber das kleine Mädchen, seines Gefängnisses über-
drüssig, hatte sich daran nicht gekehrt und hatte zwei Tage vorher ehe meine
Frau dort ankam ausgebrochen. Uebrigens fand sie alles in guter Ordnung und
wir haben Ursach, Gott für diese glückliche Entbindung zu danken. Die Mutter
hat viel Milch und das Kind viel Appetit, verursacht aber etwas Schmerzen,
woran sich das arme junge Weib gewöhnen muss, glücklich ganz Mutter sein
zu können.

Nun erwarte ich bald einen Brief von der Demüj5 Nohren, den erlauben
Sie mir doch, meine gütige Freundin, mit einem Umschlag zu versehen? Unter-
dessen empfehle ich mich der Fortdauer Ihrer mir so schätzbaren Freundschaft
und bin lebenslang mit der vorzüglichsten Hochachtung

Ihr ergebenster Freund und Diener

Berlin, den 6. März 1784."

D. CHODOWIECKI.

Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin \V.
 
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