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Andreae, Bernard
Motivgeschichtliche Untersuchungen zu den römischen Schlachtsarkophagen — Berlin, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.14579#0059
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thologischen Überwältigungsszenen, die nicht eigentlich Kämpfe sind, wie bei
den Sagen von Perseus und Medusa, Hermes und Argos, Neoptolemos und
Priamos, Pentheus, Lykurgos und Polyxena, bei Raubdarstellungen wie Aias und
Kassandra, Eos und Kephalos, den Leukippiden und ähnlichem, bei der Fesse-
lung von Gefangenen und schließlich selbst bei einer Aphroditegeburt, nämlich
auf dem Silbermedaillon aus Galaxidi im Louvre (S. 109 III B a 8).

Eine Fülle von Beispielen archaischer, klassischer, hellenistischer und römischer
Zeit hat E. Bielefeld196 bereits unter der Bezeichnung „Tretergruppe" gesammelt
und aus ihnen ein verlorenes Vorbild phidiasischer Zeit erschlossen, das sich aus
archaischen Vorstufen entwickelt hat. Es befand sich nach Bielefeld in der Ama-
zonomachie am Fußschemel des olympischen Zeus. Das Ziel Bielefelds war die
Wiedergewinnung der originalen Fassung dieser „phidiasischen Schöpfung". Die
Abwandlungen brauchten deshalb nicht auf das Neue hin untersucht zu werden,
das sich in ihnen kundtut. Unterscheidungen wurden nach der dargestellten Phase
des Kampfes getroffen.

Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, aus der Geschichte der Über-
wältigungsgruppe heraus die Form, die auf den Sarkophagen begegnet, zu ver-
stehen. F. Matj197 hat an der sitzenden Figur in Vorderansicht die Umformung
eines alten griechischen Motivs dargestellt. Mit Hilfe der dort entwickelten Me-
thode, die von der Frage nach dem Verhältnis der Figur zum Raum ausgeht, läßt
sich auch die Geschichte des hier betrachteten Schemas klären. Die Ergebnisse
entsprechen einander im großen und ganzen.

Allerdings zeigen sich, wenn man die Verschiedenheit der Darstellung berück-
sichtigt, folgende Abweichungen: Da es sich bei der Überwältigungsgruppe nicht
um eine Einzelfigur, sondern um eine Gruppe handelt, ist die sitzende Gestalt als
Schema einfacher und darum freier, d. h. nicht sc stark an vorbildliche Fassungen
gebunden. Bei der Überwältigungsgruppe ist die formende Wirkung, die ein-
malige Erfindungen auf den Grundgedanken des Motivs ausüben, weit bestim-
mender und beharrlicher. So begegnen Fassungen, deren Entstehung nach dem
Verhältnis von Figur und Raum einer bestimmten Zeit zuzuweisen ist, auch noch
viel später. Die Si^figur bleibt Motiv, die Überwältigungsgruppe erstarrt zu
typischen Formen, die allerdings zahlreich sind, weil das kompliziertere Schema
viele Möglichkeiten bietet.

Zweitens hat die Überwältigungsgruppe nicht wie die von vorne gesehene Sit$-
figur „frontale Gegebenheiten". Sie ist also nicht für eine zentrale Komposition
innerhalb ihrer selbst geeignet. Wohl kann die ganze Gruppe ins Zentrum der
Komposition gerückt werden, wie es z. B. auf den Amazonensarkophagen von
Redlichs 4. Strömung198 geschieht. Dadurch erfährt die Gruppe aber nicht eine
zentrale Gestaltung, wie die von vorne gesehene Si^figur in römischer Zeit.

Diese wiederum ist für die Darstellung in archaischer Zeit nicht günstig, weil
sie „keine eindeutige sprechende Silhouette ergibt"199. Das Gegenteil gilt von der
Überwältigungsgruppe. Der Sieger in Ausfallstellung, der Besiegte vor ihm aufs
Knie gebrochen, die Bewegung zwischen beiden parallel zum Bildgrund, das ist
eine Form der Überwältigung im Kampf, die sich zur Darstellung in der Fläche
hervorragend eignet.

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