Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Andreae, Bernard
Motivgeschichtliche Untersuchungen zu den römischen Schlachtsarkophagen — Berlin, 1956

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14579#0071
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
die Rechte greift nach hinten ins Leere. So schwebt er, dem Beschauer die Vor-
derseite zuwendend, an der Flanke des Pferdes. Sehr ähnlich sind ein Reiter
vom Nikefries Süd Block l"48 und eine Amazone auf dem Amazonensarkophag
in Saloniki I249 gebildet. Völlige Unabhängigkeit der drei Darstellungen250 ist
bei diesem eigentümlichen Motiv, das mit geringen Abweichungen in seinen we-
sentlichen Zügen übereinstimmend wiedergegeben wird, so gut wie ausgeschlos-
sen, zumal es sich in allen drei Fällen um Werke handelt, bei denen auch im
übrigen äußeren Einfluß leicht nachzuweisen ist. Unmittelbare Zusammenhänge
sind nicht anzunehmen. Vielmehr dürften alle drei Wiedergaben einen gemein-
samen Archetypus haben. Diesem kann man nahekommen, wenn man jene mit-
einander vergleicht.

Der arg bestoßene, aber im Gesamtmotiv noch gut erkennbare Reiter vom
Nikefries und die Amazone des Sarkophages, welcher der rechte Arm ganz und
der linke Unterarm fehlen, weichen nur wenig voneinander ab. Beide fangen
den Sturz mit dem aufgestützten rechten Arm auf — auch die Amazone ist in
dieser Weise zu ergänzen — und mildern so das Transitorische der Darstellung.
Auch ist der Leib beider noch auf gleicher Höhe mit dem des Pferdes, so daß der
Fluß der Linien nicht gestört wird. Das Pferd, das den Kopf zurückwirft — auch
auf dem Nikefries, wie am Bruch noch zu erkennen ist251 —, bäumt sich auf, so
daß es mit dem Stürzenden zusammen einen schön geschwungenen Bogen bildet.
Die Divergenz der Bewegungen ist dadurch gemildert, daß das Pferd nicht fort-
galoppiert, sondern auf der Stelle vorn hochsteigend den Reiter abwirft.

All dies ist auf dem Schlachtsarkophag im Sinn einer späteren Kunststufe um-
gewandelt. Der Reiter, von dem in gestrecktem Galopp fortsprengenden Pferd
mitgeschleift, hängt stärker nach unten durch, so daß der Körper wie ein Bogen
zum Brechen gespannt ist. Der Kopf ist schmerzvoll und krampfhaft zurück-
geworfen, der Brustkorb herausgedrückt, der Bauch eingezogen, so daß die
Beckenknochen an den Hüften heraustreten. Die Beine führen wieder scharf nach
hinten, der ganze verkrümmte Körper ist aus dem Grund herausgebogen, wäh-
rend er sich bei den anderen Beispielen frei in der Fläche entwickelt. Jene zeigen
den Stürzenden in stärkerer tektonischer Verstrebung: sowohl die Amazone als
auch der Reiter am Nikefries stütjen sich mit dem rechten Arm auf, der Reiter
umklammert noch mit den Beinen den Leib des Pferdes und bekommt so einen
festeren Halt. Anders der Barbar, dessen rechter Arm und rechtes Bein haltlos
in die Luft schlagen. Während bei den anderen Beispielen Roß und Reiter in der
Linienführung aufeinander Bezug nehmen, befinden sie sich auf dem Schlacht-
sarkophag mit jeder Linie zueinander im Gegensat5. Dort ist die Komposition
harmonisch und auf Konvergenz der Bewegungen und Linien ausgerichtet, hier
ist sie sperrig und auseinanderstrebend.

Die eine Wiedergabe ist trot; des eigentümlichen Motivs klassisch, die andere
stellt eine spätere Umformung dar.

Die späten Wiederholungen dieses Vorwurfs klassischer Zeit sind aber um
so leichter erklärlich, als das Motiv im klassischen Bereich ein Außenseiter ist
und viele Züge, die man als hellenistisch bezeichnen könnte, vorwegnimmt. Schon
das Motiv des Vom-Pferde-Fallens ist in klassischer Zeit überaus selten (vgl.
o. S. 28).

69
 
Annotationen