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53

c. Die Katabasis des Herakles

Es erhebt sich nämlich die Frage, warum nicht auf allen drei Seiten des Herkules-
streifens an den Ecken Palmen dargestellt sind, und es ist ungewiß, ob die soeben
abgegebene Erklärung genügt. Um diese Frage beantworten zu können, müssen
wir uns der bisher außer acht gelassenen Mittelszene der rechten Nebenseite (Taf. 13)
zuwenden. In dem Türrahmen unter dem runden Giebel sehen wir links eine jugend-
lich-kräftige, männliche Gestalt, bis auf eine Chlamys, die über der rechten Schulter
^geknöpft ist, unbekleidet, die injderjinken Hand einen Stab trägt und in der rechten
eine Schale hält. Diese Schale reicht der Jüngling einem vor ihm stehenden bärtigen
Mann, der ihn prüfend anschaut und die rechte Hand der Schale entgegenstreckt.
Der Bärtige trägt _einJDiadem im Haar und hat den Mantel herrscherlich um die
linke Schulter gelegt und um den Unterkörper geschlungen. Die linke Hand hält er
| ohne ein Attribut gesenkt. Die Türe, vor der diese beiden Gestalten stehen, ist ein
wenig geöffnet, aber_der Türflügel geht nicht wie diejenigen der drei anderen, den
Eingang zum Hades verschließenden Türen dieses Sarkophags (Taf. 8. 11. 22) nach
außen, sondern yielmehrnach innenauf. Eine Erklärung muß diesen hermeneutisch
wichtigen Punkt berücksichtigen. Bartoccini257 denkt bei dem Bärtigen an den
j ältesten Vorfahr der Familie des Grabinhabers als Symbol der gens, zu welcher der
| Jüngling gehört, der ihm beim Eintritt ins Jenseits ein Opfer darbringt. Nur weil
der Bärtige kein Attribut in Händen hält, glaubt er, die Deutung auf Pluto, die durch
das Erscheinungsbild nahegelegt wird, ablehnen zu müssen. Aber genügt nicht das
Diadem im Haar, um diese Gestalt als Herrscher zu erweisen ? Gar nicht einzusehen
ist, warum Bartoccini258 meint, die Szene müsse „piuttosto fuori che dentro al
l'averno" stattfinden. Wenn bei den anderen Hadestüren auf dem Sarkophag, wo
die Flügel sich nach außen öffnen, die Szenen mit Gewißheit sich vor dem Hades
abspielen, dann kann hier nur die Innenseite gemeint sein.

Die Frage zu entscheiden auf Grund einer in der Antike üblichen Art, die Tür-
flügel aufgehen zu lassen, ist nicht möglich, weil sich offenbar keine wirklich ver-
bindliche Regel feststellen läßt. Es gab in der Antike, und besonders in römischer
| Zeit, sowohl Türen, die nachjaußen, als auch solche, die nach innen aufgingen260.
Das letztere war bei Privathäusern wohl die Regel, damit der Verkehr auf der Straße
nicht behindert wurde. J3ei_Tempeln und öffentlichen Bauten schlugen die Türen
gewöhnlich nach außen auf260. Aber auf Grund dieser Tatsache allein kann man noch
I nicht sicher sagen, ob die betrachtete Szene sich auf der Innen- oder der Außenseite
| der Tür abspielt. Auch bei den bildlichen Darstellungen scheint es keine feste Regel

257 Bartoccini a. O. 171.

258 Ebd. 172.

269 H. Klenck, Die antike Tür (1924) 15ff. Der Passus in J. J. Winckelmanns Anmer-
kungen über die Baukunst der Alten I § 57 = Sämtl. Werke ed. Eiselein II (1825) 413,
der davon handelt, „daß die Türen der Griechen nicht, wie die unsrigen, einwärts sondern
auswärts offengingen", darf außer acht gelassen werden, da er auf einer falschen Inter-
pretation der Textstellen beruht.

260 J. Dürrn, Die Baukunst der Römer (19052) 346.
 
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