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Andreae, Bernard
Studien zur römischen Grabkunst — Heidelberg, 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.15193#0091
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85

3. Verhältnis des ikonographischen Programms
des Sarkophags zum pseudoplatonischen Dialog Axiochos

Die Berechtigung zu der Annahme, daß dem Programm des Velletrisarkophags
wirklich die oben entwickelten Gedanken zugrundeliegen, erwächst uns aus dem
Vergleich mit der antiken philosophischen Literatur, in der zur Begründung rein
gedanklich aufgebauter Thesen Beispiele aus dem Leben oder dem Mythos heran-
gezogen werden. Wir haben bei der Erklärung jedes einzelnen Bildes des Velletri-
sarkophags schriftliche Äußerungen der Antike herangezogen, die deren Deutung
erhärten können.

Nun sind wir in der glücklichen Lage, einen antiken Text zu besitzen, der auch
für das Gesamtprogramm eine erstaunliche Parallele bietet: der pseudoplatonische
Dialog Axiochos457. „Cette oeuvrette composite, fruite d'un syncretisme intempe-
rant (es verwendet platonische, stoische, kynische, pythagoreische Ideen), ne peut
pretendre ä aucune originalite, mais eile est precieuse comme un miroir des idees qui
circulaient au temps oü eile fut ecrite, c'est-ä-dire au premier siecle avant notre
ere"458.

In der Tat finden wir hier die gleichen Gedanken mit Hilfe der gleichen mytho-
logischen Bilder ausgesprochen wie auf unserem Sarkophag. Im Verlauf seines
| Gesprächs mit Axiochos über die Unsterblichkeit hatte Sokrates entwickelt, daß das
| irdische Leben voller Mühsal und Leiden, der Mensch aber unsterblich ist und nach
! dem leiblichen Tod aus dem Kerker des Leibes befreit an einen Ort gelangt,
ev&a avrova toxvt<x xal äcrrevaxToc xal dqffjpoCTOC, yaXY)v6? Se ti? xat xaxwv ayovo«; ßto?
daaAeÜTcp r\ax>yioL eö8t.a^6fi.£vo<;469. Schließlich faßt der Sokrates des pseudoplatoni-
schen Dialogs nach platonischer Weise diese Gedanken noch einmal in einem
Mythos zusammen, den er von einem Magier Gobryas gehört habe. Nach der Auf-
] lösung des Körpers begebe sich die Seele des Menschen an jenen unbekannten Ort
! bei der unterirdischen Behausung, wo Plutos Königssitz ist, die der Halle des Zeus
nicht nachsteht. Die Welt nämlich nehme den Mittelpunkt des Kosmos ein, das
Himmelsgewölbe habe die Form einer Kugel, deren eine Hälfte die himmlischen
Götter erlosten, die andere die unterirdischen, die Brüder und Geschwisterkinder
sind. Dorthin gelange der Mensch über die Flüsse der Unterwelt, werde gerichtet
und nach seinen Taten entweder ins Elysium oder in den Tartaros gewiesen.

Die Übereinstimmung dieses Textes mit den Gedanken, die dem Programm des
Sarkophags zugrundeliegen, zeigt sich zunächst an der Verwendung der gleichen
Bilder:

457 A. Brinkmann, RhMus. 51, 1896, 441 ff.; 52, 1897, 632ff. A. Dieterich, Nekyia
(1893) 121. J. Chevalier, Etüde critique du dialogue pseudoplatonicien l'Axiochos (1914).
M. Meister, De Axiocho dialogo (1915). Cumont, CRAcInscr. 1920, 272ff.; Symbolisme
35ff Nilsson, Gesch. der griech. Religion II (1961)2 241 (hier die Entstehungszeit wegen
der Bezugnahme auf den Epikureismus in frühhellenistische Zeit gesetzt).

458 Cumont, Symbolisme 35.

459 Ps.-Plat. Ax. 370 D.
 
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