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Andreae, Bernard
Studien zur römischen Grabkunst — Heidelberg, 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.15193#0126
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"9

2. Zur stilistischen Beurteilung der Malereien

Bereits bei der Behandlung des heutigen Zustandes des Nasoniergrabes ist zum
Ausdruck gekommen97, daß für eine klare Beurteilung des Stils der Malereien die
Basis zu schmal ist. Im Grabe sind keine wirklich faßbaren Formen mehr erhalten,
und die Freskenreste im Britischen Museum einer Stilanalyse zugrundezulegen
scheint bei der starken Übermalung zumindest nicht ratsam. Rodenwaldt98 ist auf
Grund ihrer Betrachtung zu einer allgemein gehaltenen Datierung ins 2. Jh. n. Chr.
gekommen, hebt aber den beruhigten, betont klassizistischen Charakter der Malereien
hervor; das war im Jahre 1917. Nach seinen tiefer eindringenden Forschungen, be-
sonders nach seinem grundlegenden Aufsatz über den Stilwandel in der spätantonini-
schen Kunst 193 599 würde er, seiner Charakterisierung der Malereien nach zu urteilen,
wohl eine Entstehung derselben vor dem Stilwandel, wahrscheinlich noch in der
1. Hälfte des Jhs., befürwortet haben, und wenn man die Londoner Freskenreste in
ihrem heutigen Zustand betrachtet, dann kann man auch nicht umhin, an hadrianisch-
frühantoninischen Klassizismus zu denken.

Demgegenüber hat Fink100 zu Recht darauf hingewiesen, daß die von keiner
neueren Hand übermalten Reste im Grab selbst uns lehren, daß die Malereien „von
der glatten, leblosen Gestaltung hadrianischer Zeit abgerückt sind, daß diese Künstler
einen echten Flächenstil verwirklichten." Die rein malerische Sensibilität, die sich in
einer lebhaften impressionistischen Technik ausdrückt, hat im Ausschluß an Fink
auch Borda101 hervorgehoben, der das Grab in die Zeit von 150-170 n. Chr. datiert.
In diesen absoluten Zahlen ist die kunstgeschichtliche Stellung an der Schwelle zum
spätantoninischen Stilwandel wohl richtig bestimmt, richtig ist auch die Feststellung,
die schon Rodenwaldt getroffen hatte, daß mehrere Hände an dem Grabschmuck mit-
gewirkt haben müssen; diese Feststellung kann aber angesichts des Zustandes der
Malereien nicht anders als allgemein bleiben. Im großen und ganzen sollte man die
künstlerische Bedeutung dieser Malereien nicht überschätzen. Sie ragen kaum über
das hinaus, was die Zeit uns sonst gewöhnlich in Gräbern oder Privathäusern bietet102,
ja selbst ihre Nähe zu den frühen Katakomben ist von Fink103 richtig gesehen worden.

Bedeutsamer als die künstlerische Leistung in den Einzelformen erscheint der
weitgehend konstruierte Charakter des ganzen Dekorationssystems, der die Reisbrett-
architekturen der Villa Hadriana in die Erinnerung ruft104. Schon H. Krieger105 hat
darauf hingewiesen, daß die Wände des Nasoniergrabes hinsichtlich ihrer Kompo-

97 S. o. 95 f.

98 Rodenwaldt a. O. 17ff.

99 Rodenwaldt, AbhBerlin 1935, 3.

100 Fink a. O. 59 f.

101 Borda a. O. 282 f.

102 Rumpf, HdArch. IV 1, 184ff. Borda a. O. 275 ff.

103 Fink a. O. 60 f.

104 H. Kahler, Hadrian u. seine Villa bei Tivoli (1950). F. Rakob, RM. 68, 1961, 114ff.

105 Krieger a. O. 39.
 
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