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Andreae, Bernard
Odysseus: Archäologie des europäischen Menschenbildes — Frankfurt a.M., 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.15161#0042
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Gitterkette Flechtband
Die Gitterkette wandelt sich zu einem Flechtband, bei dem das eine
Band weiß und das um dieses sich herumschlingende schwarz gemalt ist.
An den Stellen, wo das eine Band über das andere gelegt ist, läuft einmal
das weiße, das andere Mal das schwarze durch, während sowohl die Ritz-
linien am Rande als auch die Farbe des jeweils anderen Bandes ausset-
zen. Das Flechtband bekommt dadurch eine greifbare Körperlichkeit,
seine sich umeinanderschlingende Bewegung eine beinahe perspektivi-
sche Räumlichkeit. Das ist eine gegenüber der silhouettenhaften Kör-
perlosigkeit des geometrischen Dekors grundlegend gewandelte Wie-
dergabe der Welt, die man als Ausdruck einer neuen Weltsicht auffassen
muß. Die schwingenden Linien der neuen ornamentalen Elemente er-
möglichen eine ganz andere Kompositionsform, die man im Gegensatz
zur verklammernden der geometrischen Kunst als verflechtende be-
zeichnen könnte.

Greifen wir auch hier wie im Fall der geometrischen Amphora ein
herausragendes Werk orientalisierender Zeit zur genaueren Analyse
heraus. Der Boden einer Korinthischen Pyxis der Zeit um 700 v. Chr.
zeigt ein bemerkenswertes Flechtbandornament36.

Das teppichhafte Überspinnen der ganzen Kreisfläche mit schwin-
genden Ranken wird in seinem Aufbau sofort verständlich,wenn man
sich klarmacht, daß die gleichartigen, in einem unendlichen Rapport
wiederholten Geschlinge von kleinen Ringen ausgehen, die in gleichen
Abständen auf dem Durchmesser des kreisrunden Pyxisbodens ange-
ordnet sind. Die beiden äußeren Ringe sind mittels eines dunkel abge-
deckten Dreiecks am Umriß des Bodens gleichsam festgemacht. Da das
eine Dreieck größer ist als das andere, hat man den Eindruck, als sei die
Reihe der vier Ringe in einer Richtung von unten nach oben angeordnet.
Auf den Ringen steht nämlich ein aus zwei kürzeren, sich gegeneinander
neigenden Ranken gebildetes Ornament in der Form einer Leier, wäh-
rend nach unten an den Ringen zwei um sich selbst geschlungene Ran-
ken hängen. Indem die Ringe eine Blütenleier nach der einen und ein
symmetrisches Rankengeschlinge nach der anderen Seite entlassen,
werden sie zu den Knotenpunkten eines ineinander geflochtenen Deko-
rationssystems, welches das neuartige Kompositionsprinzip der Odyssee
gegenüber dem älteren der Ilias anschaulich machen kann.

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