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kann nur Skylla dargestellt gewesen sein. Wenn dem so ist, dann sind auf
der Ostwand des esquilinischen Hauses in der Tat alle prägnanten Aben-
teuer aus der Erzählung des Odysseus am Hof des Alkinoos wiedergege-
ben, mit Ausnahme der Tötung der Heliosrinder auf der Insel Thrinakia,
die den Untergang der Gefährten und des Schiffes nach der Warnung des
Teiresias heraufbeschwören sollte. Von dieser Episode ist keine einzige
antike Darstellung bekannt. Sie scheint zur bildlichen Gestaltung nicht
geeignet gewesen zu sein, im Gegensatz zu den Irrfahrten, die offenbar
ein beliebtes Thema der hellenistisch-römischen Wandmalerei spätre-
publikanischer Zeit waren. Denn der römische Architekt Vitruv70
schrieb um 25 v. Chr., daß man in der vorhergehenden Generation
große Wandelgänge gerne mit Fresken bemalte, in denen die Irrfahrten
des Odysseus durch die Lande (Ulixis errationes per topia) gestaltet wa-
ren. Einziger bedeutender Überrest dieser Mode sind die Odyssee-Fres-
ken, die als die ältesten echten Landschaftsmalereien europäischer
Kunst gelten. Der Dichter der Odyssee hatte sich auch hier als ein großer
Anreger erwiesen.

Eine Frage ist noch, ob diese Fresken Erfindungen der Zeit sind, in
der sie gemalt wurden, das heißt der Jahre um 40 v. Chr., oder ob sie äl-
tere Vorbilder wiedergeben71. Wegen der spezifisch hellenistischen
Form des Raumaufschlusses in Tiefendiagonalen, wegen der griechi-
schen Beischriften und wegen des fast geographisch-wissenschaftlichen
Interesses an der Landschaftsschilderung ist dies wahrscheinlich. Auch
die eigentümlich insektenhaften Figuren mit ihrem labilen Stand und
den nervös ausgreifenden Körpergebärden lassen eher an die Kopie ei-
nes hellenistischen Originals des ausgehenden 2. Jahrhunderts v. Chr.
als an ein eigenständiges römisches Werk denken. Schließlich besteht
eine eigenartige Diskrepanz zwischen der Perspektive der illusionisti-
schen Architekturmalerei, die auf den Augpunkt eines in der Mitte des
Saales stehenden Menschen berechnet ist, und dem hochliegenden Aug-
punkt, von dem aus man durch die oben in der Wand befindlichen Fen-
steröffnungen blickt. Dem römischen Wandmaler spätrepublikanischer
Zeit mochte es willkommen sein, die Mischung von Realität und visionä-
rer Illusion noch dadurch zu verstärken, daß er den Betrachter der Odys-
see-Landschaften gleichsam vom Boden löste und ihn in der Höhe des
Saales schwebend einen Blick auf diese mythische Landschaft tun ließ,
die tatsächlich niemals jenseits der Mauern dieses Stadthauses liegen
konnte. Es ist aber zweifelhaft, ob dieser Effekt schon beim Entwurf der
Landschaftsbilder angestrebt worden war. Wahrscheinlicher ist die
Übertragung eines älteren Landschaftsfrieses in den neuen Zusammen-
hang der römischen illusionistischen Wandmalerei.

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