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S. 69 WENN die Rekonstruktion der Odyssee-Landschaften vom Esquilin

Gruppe ^as Richtige trifft, dann war hier am Anfang das Polyphem- und am

von Ephesos. Ende das Skylla-Abenteuer dargestellt — gleichsam die Ecksätze der
großen Symphonie, in welcher der Dichter Odysseus selbst seine Leiden
und die vergeblichen Mühen, auch die Gefährten zu retten, vortragen
läßt72. So nimmt es nicht wunder, daß die antiken Künstler vor allem
diese beiden Episoden immer wieder zu gestalten versuchten.

Besonders in der römischen Kunst sind zahlreiche Darstellungen die-
ser beiden Mythenepisoden erhalten, von denen die großartigsten erst in
den letzten 25 Jahren bekannt geworden sind. Sie überliefern in römi-
scher Form vielfach Kompositionen, die bereits in hellenistischer Zeit
entworfen wurden, wie man dies auch bei den esquilinischen Odyssee-
Fresken annehmen darf. Es handelt sich in erster Linie um große Skulp-
turengruppen, welche die Skylla-Episode in der schon im 4. Jahrhundert
festgelegten Typologie und die Geschichte der Überlistung des Riesen
Polyphem in zwei verschiedenen Phasen des Mythos, entweder der
Weinreichung oder dem Akte der Blendung, darstellen.

Im Jahre 1959 kamen bei den österreichischen Ausgrabungen in
Ephesos im halbrunden Becken einer in die Stützmauer des Staatsmark-
tes am Domitiansplatz hineingebauten Brunnenanlage, dem sogenann-
ten Pollio- oder richtiger Domitians-Nymphäum, zahlreiche stark zer-
störte und durch Brand in der Oberfläche beschädigte Skulpturen zuta-
ge. Sie wurden auf recht verschiedene Weise interpretiert73.

So war die Vermutung geäußert worden, ein mit verrenkten Gliedern
und gebrochenem Genick am Boden liegender Mann könne den abge-
stürzten Ikarus darstellen. Bei anderen Figuren, die den Galliern des so-
genannten Attalischen Weihgeschenks ähnlich sind, dachte man an eine
Darstellung von Kriegern dieses barbarischen Volksstammes, die auf ih-
rer Wanderung quer durch Europa im Jahre 240 v. Chr. das Heiligtum
von Delphi geplündert hatten, bevor sie erst im 2. Jh. v. Chr. von den
pergamenischen Königen besiegt und im mittleren Kleinasien seßhaft
gemacht wurden. Besonders ein Mann, dereinen prallen Sack hinter sich
herschleppt, wurde als Gallier gedeutet, der seine Beute davonträgt.

Durch eine Reihe von Beobachtungen und Vergleichen konnte erst
einige Jahre nach der Entdeckung die richtige Deutung erhärtet wer-
den74. Da war eine leider ohne Kopf erhaltene Männerfigur, die beide
Arme vorstreckt, wie Odysseus auf Mosaiken und römischen Lampenre-
liefs in der Szene, in der er dem Riesen Polyphem den Becher ismari-
schen Weines reicht. Der pralle Sack des vermeintlichen Galliers erwies
sich bei näherer Betrachtung als Weinschlauch. Dann gab es ein riesiges
gebeugtes Bein, über dessen Oberschenkel ein unförmiges Gebilde liegt,

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