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Baiae am Westrand des Golfs von Neapel zwischen dem Cap Mise-
num, der großen kaiserzeitlichen Flottenbasis, und Pozzuoli gelegen, wo
sich die Solfatara, einziger noch tätiger Vulkan des europäischen Fest-
landes, befindet, gehört zu dem Gebiet, das von den seit der Mitte des
8. Jahrhunderts v. Chr. hier siedelnden Griechen Phlegräische Felder
genannt wurde106. Phlegra war eine durch den Mythos von unterirdi-
schem Feuer berühmte Gegend an der westlichen Landspitze der make-
donischen Halbinsel Chalkidike, wo die Götter die Giganten besiegt und
unter die Erde geworfen hatten. Nach dieser Gegend im griechischen
Mutterland benannten die Kolonisten in ihrer neuen Heimat den Kü-
stenstrich zwischen Cuma und Neapel, der von vulkanischen Seen, von
Solfataren und Fumarolen, von Kratern und Lavakuppen durchsetzt ist.
Man könnte Phlegräische Felder mit »Brennende Gefilde« übersetzen.

Hier beobachtet man das geologische Phänomen des Bradysismus107,
wörtlich übersetzt langsames Erdbeben, das heißt ein allmähliches Ab-
sinken und Wiederaufsteigen der auf dem flüssigen Magma schwim-
menden Erdrinde. Schon Goethe108 hatte den Muschelfraß bemerkt,
der in einer Höhe von 5,71 m rings um die 12 m hohen Marmorsäulen
des sogenannten Serapäums von Pozzuoli zu sehen ist. Er nahm an, daß
es ein Wasserstau war, der die Muscheln bis zu dieser Höhe reichen ließ,
und wußte noch nicht, daß das Niveau des Baues um die Spanne von fast
6 m ins Meer abgesunken war und später wieder aufgetaucht ist. Inzwi-
schen kennt man dieses immer noch nicht völlig geklärte Phänomen ge-
nauer, zumal man es vor wenigen Jahren in Pozzuoli studieren konnte,
als sich über einen Zeitraum von 300 Tagen die Erde pro Tag bis zu
3 mm hob109. Durch Hitzeentwicklung im Erdinneren wird die Erdrinde
nach oben gedrückt und zieht sich bei Abkühlung wieder zurück. Durch
ein Absinken um bis zu 14 m ist das ganze am Meer liegende Stadtviertel
von Baiae zwischen den beiden Punta Epitaffio und Punta di Castello
genannten Landspitzen im Osten und im Westen der am Hang sich em-
porstaffelnden Stadt unter den Wasserspiegel geraten.

Dabei war auch ein großer Apsidensaal unmittelbar vor der Punta
dell'Epitaffio, die ihren Namen von einer Inschrift (Epitaph) des Vize-
königs Pedro von Aragon aus dem Jahre 1670 hat, wenigstens 7 m tief
abgesunken. Zu beiden Seiten der 6 m breiten Apsis standen die Statu-
en. Sie waren zunächst als Sklaven, die ihrem Herrn den Trank reichen,
gedeutet worden110. Wegen ihrer evidenten Ähnlichkeit mit den ande-
ren Darstellungen der Mythenepisode, in der Odysseus Polyphem den
Becher reicht, welchen ein Gefährte aus dem Weinschlauch gefüllt hat,
konnten auch diese Skulpturen später als Odysseus und Weinschlauch-
träger identifiziert werden111.

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