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sie hätten die Statue, von der die Fragmente stammten, für einen Herku-
les gehalten.

Sperlonga lag verkehrsmäßig so ungünstig, daß erst zwei Generatio-
nen später wieder von einer Beschäftigung mit der Topographie dieses
im Altertum berühmten Ortes die Rede ist. 1956 unternimmt das Insti-
tut für Bauforschung an der Universität Rom unter Leitung des Archi-
tekturprofessors F. Fasolo133 eine Bauaufnahme der römischen Villen-
reste an der Küste bei Sperlonga. Damals wird auch der erste Plan der zu
dieser Zeit noch unberührten Tiberius-Höhle gezeichnet.

Doch diese baugeschichtlich interessanten Studien hatten noch keine
archäologischen Ausgrabungen ausgelöst. Es war, wie bei manchen an-
deren spektakulären Entdeckungen der Archäologie, einem Außensei-
ter, dem Straßenbaumeister Enrico Bellante, vorbehalten, als erster in
der Tiberius-Höhle den Spaten anzusetzen.

Ich muß gestehen, daß dieser ungewöhnliche Mann unter allen Per-
sönlichkeiten, denen ich im Zusammenhang mit Sperlonga begegnet bin,
einen besonders tiefen Eindruck auf mich gemacht hat. Ich habe ihn erst
vierzehn Jahre nach dem ersten denkwürdigen Besuch in Sperlonga
kennengelernt, denn er hatte schon einige Tage zuvor die im wahrsten
Sinne des Wortes sagenumwobene Grabungsstelle endgültig verlassen.
Er hatte dort in nur vierzehntägiger Arbeit zwischen dem 11. und dem
25. September 1957 mehr Skulpturen gefunden als je ein anderer Ar-
chäologe im ganzen 20. Jahrhundert. Nur bei den großen Ausgrabungen
des 19. Jahrhunderts in Delphi, Olympia, Pergamon waren solche Men-
gen von Skulpturen angefallen. Dieser saloppe Ausdruck kommt einem
in den Mund, denkt man daran, wie mit archäologisch ungeübten Arbei-
tern die Verschüttung des Höhlenbodens mehr oder weniger planlos ab-
geräumt wird und dabei ein mit Steinen eingefaßtes kreisrundes Becken
zutage kommt, das fast bis zum Rand mit kleinen und großen Marmor-
bruchstücken von hervorragender Bildhauerarbeit angefüllt ist.

Bei allem Bedauern darüber, daß diese Ausgrabung, die eine der be-
deutendsten des ganzen Jahrhunderts hätte sein können, nicht mit jener
Akribie durchgeführt wurde, welche die Wissenschaft heute verlangen
muß, kann man nicht umhin, die Methode zu bewundern, mit der Enrico
Bellante die Ausgrabungsergebnisse festgehalten hat. Und das beson-
ders im Vergleich zum letzten Drittel der Ausgrabungen, das nicht mehr
von ihm, sondern von der Archäologischen Soprintendenz ausgeführt
wurde.

Damals zeigte sich, daß ein Straßenbaumeister ein im Sinne Vitruvs
rundum ausgebildeter Mann sein muß. Seine Aufgabe war nicht oder
zumindest nicht in erster Linie, eine kurze Verbindung zwischen großen

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