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d. h. in der Nähe der Porta Capena, an272. Es könnte sich um ein ähnli-
ches Gebilde wie das Polyphem-Nymphäum von Baiae gehandelt haben.
Auf jeden Fall gehört ein mit der Darstellung des Polyphem-Abenteuers
ausgestatteter Speisesaal anscheinend seit Kaiser Tiberius zum festen
Repertoire römischer Kaiservillen.

Bekannt ist eine solche Anlage jedenfalls außer in der Villa des Kai-
sers Tiberius (4—37 n. Chr.) und, wie wir jetzt zu wissen glauben, im
Sommerpalast des Kaisers Claudius (41—54 n. Chr.) in Baiae, im Golde-
nen Haus des Kaisers Nero (54—68 n. Chr.) in Rom, das nach ihm noch
die Kaiser Otho (69 n. Chr.) und Titus (69-81 n. Chr.) bewohnten. Auch
der Bruder und Nachfolger des Kaisers Titus, Domitian (81—96 n. Chr.),
hat sich in seiner Villa am Albaner See im sogenannten Ninfeo Bergan-
tino273 ein Antrum Cyclopis geschaffen. Von Nerva (96—98 n. Chr.), der
nur zwei Jahre regierte, und von Trajan (98-117 n. Chr.), der die meiste
Zeit seines Lebens als Soldat im Feldlager verbrachte, ist ähnliches nicht
bekannt, aber Kaiser Hadrian (117—138 n.Chr.) hat den Gedanken
wieder aufgegriffen und in einer eigenen, seine Vorgänger an Aufwand
noch überbietenden Weise verwirklicht.

Damit bricht die Reihe, soweit wir bisher wissen, ab, aber noch in
der späten Kaiservilla von Piazza Armerina ist ein Raum mit einer aus-
führlichen Darstellung der Polyphem-Episode im Fußbodenmosaik273
geschmückt. Der Gedanke, Odysseus als Vorbild zu wählen und dies be-
sonders durch die Polyphem-Episode, aber auch durch das Skyl-
la-Abenteuer zum Ausdruck zu bringen, war noch nicht tot. Im Grunde
ist er nie gestorben. Hier ist nicht nur an mittelalterliche Darstellungen
wie die Wandmalerei im Kloster Corvey274 zu erinnern oder an die Rol-
le, die Odysseus bei Dante275 und seinen Illustratoren und sogar bis in
die neueste Zeit bei James Joyce oder Dallapiccola spielt, sondern tag-
täglich werden Bilder aus der Odyssee wie Zirze oder Skylla und Cha-
rybdis zum Vergleich herangezogen, ja, die Odyssee selbst ist zum Topos
geworden.

Hier kommt es darauf an, die Frage zu beantworten, woher die kai-
serzeitliche Kunst das Bild von Odysseus als anfeuerndem Beispiel ech-
ter Mannhaftigkeit übernommen hat, das heißt herauszufinden, wann es
zuerst bildliche Gestalt gewonnen hat und wie es in die ikonologische
Ausstattung römischer Kaiservillen eingeordnet wird.

Das claudische Trikliniumsnymphäum erweist sich als eine Monu-
mentalisierung der von einer natürlichen Grotte ausgehenden Anlage
von Sperlonga. Die weit gespannte Wölbung der Tiberius-Höhle wird
zur Apsis des aus Tuffretikulat mit Ziegelverstärkung errichteten Nym-
phäumssaales. Das Becken von Sperlonga, das sich aus dem runden

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