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AUCH Kaiser Hadrian wollte wie seine Vorgänger Tiberius, Clau-
dius, Nero und Domitian auf eine Darstellung des mythischen Helden
Odysseus in seiner Lieblingsvilla bei Tivoli nicht verzichten. Das bewei-
sen die drei schon bei den Ausgrabungen des 18. Jahrhunderts gefunde-
nen Köpfe der Gefährten des Odysseus aus einer Polyphem-Gruppe,
von denen der eine mit dem einzigen erhaltenen Gefährtenkopf aus der
Polyphem-Gruppe von Sperlonga, nämlich dem des Weinschlauchträ-
gers, so genau übereinstimmt, daß man alle hundert durcheinanderge-
wirbelten Locken auf seinem Haupte nachzählen kann.286 In der Villa
Hadriana muß also eine maßgleiche Kopie desselben Vorbildes gestan-
den haben, das die Laokoon-Bildhauer im Auftrage des Kaisers Tiberius
auch für Sperlonga kopiert hatten.

Leider ist der Aufstellungsort der Replik-dieser großen Skulpturen-
gruppe in der Villa Hadriana noch nicht bekannt. Die erwähnten Köpfe
wurden, von ihrem ursprünglichen Aufstellungsort verschleppt, an einer
Stelle gefunden, wo Marmorfragmente zur Verarbeitung in mittelalterli-
chen Kalkbrennöfen zusammengetragen wurden.

Andererseits ist die Gruppe so groß, daß sie nicht an jeder beliebigen
Stelle der Villa gestanden haben kann. Die Villa Hadriana ist bei weitem
nicht vollständig ausgegraben, und man darf noch viele Überraschungen
gewärtigen. Wenn hier gleichwohl eine Vermutung geäußert wird, wo
die Polyphem-Gruppe in der Villa Hadriana ihren Platz haben könnte,
so soll dies vor allem der Ermunterung dienen, an eben dieser Stelle, wo
es nicht besonders schwierig wäre, den Spaten anzusetzen. Gemeint ist
der große, südöstlich vom sogenannten Serapäum, oberhalb des Cano-
pustal gelegenen Apsidenbau, dessen Halbkuppel eingestürzt ist und
dessen Mauern noch bis zur Hälfte in der Erde stecken.

Anlaß, die Polyphem-Gruppe hier zu suchen, gibt die Tatsache, daß
in Sichtverbindung mit dieser Stelle, mitten im Wasserbecken des Cano-
pustales auch die zweite immer wiederholte Episode der Odyssee, das
Skylla-Abenteuer, dargestellt worden war. Das haben die jüngsten gro-
ßen Ausgrabungen gezeigt, die Salvatore Aurigemma in den Jahren
1953—1956 unternommen hat.287 Der Verfasser war bei diesen Ausgra-
bungen persönlich zugegen und konnte einige Beobachtungen machen,
die zu so erstaunlichen Konsequenzen zu führen schienen, daß die Frage
nicht beiseite geschoben werden durfte. In immer neuen Anläufen wur-
den Lösungen gesucht. Daß schließlich eine präsentable Lösung gefun-
den wurde, ist wiederum das Verdienst des Bildhauers und Archäologen
Heinrich Schroeteler, der den Verfasser schon beim Wiederherstel-
lungsversuch des Giebels von Ephesos und der Polyphem-Gruppe von
Sperlonga in entscheidender Weise unterstützt hatte.

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