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Andreae, Bernard
Odysseus: Archäologie des europäischen Menschenbildes — Frankfurt a.M., 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.15161#0234
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Ein Großteil der Fragmente in den Vatikanischen Sammlungen, bei
denen kein Fundort bekannt ist, stammt aus dem scheinbar unerschöpf-
lichen Grabungsreservoir der Villa Hadriana. Die Köpfe in Berlin sind
dorthin mit der Sammlung des Kardinals Polignac gelangt, die in der er-
sten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Rom zusammengetragen wurde und
viele Stücke aus der Villa Hadriana enthält. Die Fragmente in Palermo
stammen aus der Sammlung des Rechtsanwaltes Astuto und scheinen
auch in Rom erworben worden zu sein, könnten also ebenfalls in der
Villa Hadriana gefunden sein. Das Fragment Torlonia ist mit der Samm-
lung Albani, in der sich zahlreiche Stücke aus der Villa Hadriana befin-
den, nach Anzio gekommen und ist jedenfalls nicht dort gefunden wor-
den. Angesichts dieser Überlieferungslage verdichtet sich die Annahme,
daß diese in Material, Maßen und Stil den in der Villa Hadriana gefun-
denen Fragmenten so ähnlichen Stücke, die zum Teil doppelt erhalten
sind, ursprünglich zu den beiden Skylla-Gruppen im Euripus des Cano-
pus der Villa Hadriana gehörten.

Dieser Verdacht verstärkt sich noch, wenn man feststellen muß, daß
alle Fragmente, sowohl die in der Villa Hadriana als auch die im Vatikan,
in Berlin, in Palermo und im Museo Torlonia aus dem gleichen, von cha-
rakteristischen violetten bis puterroten Adern durchzogenen kleinasiati-
schen Marmor von Synnada besteht, der bei diesen Skylla-Gruppen of-
fenbar deshalb verwendet wurde, weil die Figuren dann blutbesudelt
aussahen. Puterrot heißt auf Italienisch pavonazzo, und dieser Marmor
erhielt daher von den römischen Marmorhandwerkern den Namen Pa-
vonazetto.299 Gewöhnlich wird er für Wandverkleidungen und Fußbö-
den, nicht aber für Skulpturen verwendet, für die man nicht geäderten
Marmor vorzog. Die Übereinstimmung des Stils und des seltenen Mate-
rials bei allen Fragmenten spricht dafür, daß sie von Repliken zumindest
aus der gleichen Werkstatt, wahrscheinlich sogar vom gleichen Aufstel-
lungsort stammen. Aber auch wenn man letzteres nicht für beweisbar
hält, so bleibt doch soviel sicher, daß alle Fragmente zu völlig gleicharti-
gen Skylla-Gruppen gehören, so daß man sie in die Überlegungen zur
Rekonstruktion des Urbildes einbeziehen muß. Die Basis für einen sol-
chen Rekonstruktionsversuch wird dadurch entscheidend verbreitert.

Insgesamt sind Fragmente von neun Hundeköpfen erhalten, von de-
nen nur ein einziger nicht doppelt vorhanden ist. Da unwahrscheinlich
ist, daß die beiden in allen nachprüfbaren Punkten völlig übereinstim-
menden Skylla-Gruppen eine verschiedene Anzahl von Hundeproto-
men aufwiesen, muß man davon ausgehen, daß auf jede Skylla fünf
Hundeköpfe entfallen, die mit den Fischschwänzen rings um den Unter-
leib des Weibes angeordnet werden müssen.

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