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Die so festgestellten Querverbindungen bestätigen die hier vorgetra-
genen Hypothesen. Indem dabei deutlich zwischen der Schöpfungszeit
der Werke und der Zeit ihrer durch Kopien ermöglichten Verwendung
im neuen ikonologischen Zusammenhang einer römischen Villa unter-
schieden wird, tritt die Eigenart der kaiserzeitlichen Kultur klarer und
unverstellt hervor.

Das Canopustal der Villa Hadriana verfehlt auch im heutigen als arti-
fizielle Ruine rekonstruierten Zustand seine Wirkung auf den Besucher
nicht. Diese mitten in die Natur gebettete Kunstwelt, die die Natur in
gewissem Sinne ausschließt oder sie zumindest nicht weniger rigoros der
künstlerischen Gestaltung unterwirft, als es bei einem französischen
Garten der Fall ist, stellt den Höhepunkt einer Entwicklung dar, den
man in immer neuen Gestaltungsversuchen von der Tiberius-Höhle in
Sperlonga an über die Grottenvillen von Capri, das Trikliniumsnym-
phäum von Baiae, das Goldene Haus des Kaisers Nero und das Ninfeo
Bergantino der Domitians-Villa am Albaner See verfolgen kann. War
aber in den anderen Anlagen entweder die Natur oder die Künstlichkeit
präponderant, so ist in der Villa Hadriana dieser Gegensatz aufgelöst in
das, was man eine »Welt in der Welt«, das heißt eine Kunstwelt nennen
könnte, die etwas anderes ist als eine künstliche Welt.

In der Villa Hadriana wird durch die Einbindung der griechischen
Kunstwerke in eine ganz vom Menschen gestaltete und geordnete Welt
deren Symbolwert freigesetzt. Man blickt nicht mehr in die Höhle hin-
ein, sondern aus ihr heraus. Die von einem festgelegten Punkt aus be-
trachtete, auf die Blickachse bezogene Gartenarchitektur, in der man
das zentrale Motiv, die Skylla-Gruppe, von beiden Seiten zugleich sehen
konnte, liegt im hellen Licht. Es kann kein Zweifel sein, dies ist kein Na-
turtheater, dies ist Kunst. Sie kündet in den zeitlos schönen ägyptischen
Skulpturen und in den griechischen Statuen aller Stufen des gleicherma-
ßen als klassisch empfundenen strengen, hohen, schönen und realisti-
schen Stils von unvergänglichen ästhetischen Werten. Das grauenvolle
Ereignis im Zentrum dieser Welt, Skylla, die die Gefährten aus einem
steuerlos gewordenen Schiff reißt, das man nicht sieht, läßt den Betrach-
ter selbst zu einem Odysseus werden, der diese Welt erblickt und sie,
durch die Ordnung, die er ihr gegeben hat, beherrscht.

Bei einer solchen Betrachtung wird deutlich, daß die Entwicklung,
welche der Bautypus des Trikliniumsnymphäum mit mythologischer Fi-
gurenausstattung von Sperlonga bis hin zur Villa Hadriana durchmacht,
auch etwas mit der Interpretation der Odysseus-Figur zu tun hat, die
immer wiederkehrend darin dargestellt ist. Jede Zeit macht sich ihr eige-
nes Bild von diesem Helden.

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