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Andreae, Bernard
Die Symbolik der Löwenjagd: [d. Vortrag wurde am 23. Mai 1984 in Düsseldorf gehalten] — Opladen, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.27674#0014
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Bernard Andreae

stehen, tritt neben den der verräterischen Liebe abholden Hippolytos die römische
Tugendallegorie Virtus36. Die gleiche Virtus begleitet auch den Löwenjäger und
macht deutlich, daß nicht eine realistische, sondern eine allegorische Jagd ge-
meint ist.

Seit den vorzeitlichen Erfahrungen orientalischer und afrikanischer Hirtenvöl-
ker, die sich in ganz anderer, aber möglicherweise ungleich eindrucksvollerer
Weise vor den Augen römischer Arenabesucher wiederholten, galt der Löwe als
Inbegriff des alles dahinraffenden Todes37. Es kommt hier nicht darauf an, die
uralten Wurzeln dieser Identifikation aufzuzeigen, sondern es kommt darauf an
nachzuweisen, daß der Löwe in dieser Zeit von den Römern ohne weiteres so ver-
standen wurde.

In der im 4. Jahrhundert n. Chr. zusammengestellten Lebensbeschreibung
Hadrians in der Historia Augusta wird berichtet, daß dem Kaiser am Ende seines
Lebens drei omina mortis, drei Zeichen also, daß sein Tod nahe bevorstände, zuteil
wurden38. Das letzte und eindrucksvollste von diesen sei ein Traum gewesen, in
dem er von einem Löwen überwältigt wurde. Item somniavit a leone se oppressum
esse. Die Selbstverständlichkeit, mit der dieser Traum, ob er nun stattfand oder
nicht, als das entscheidende Zeichen des nahenden Todes gedeutet wurde, beweist,
wie geläufig der Löwe als Todessymbol war. Es gibt dafür noch zahlreiche weitere
Hinweise, die sowohl in der bildlichen als auch der schriftlichen Überlieferung
beruhen, von der ich nur ein allgemein bekanntes Zeugnis zitieren möchte: Im
Offertorium der Totenmesse, das auf den 21. Psalm, Vers 21 zurückgeht und wohl
im 4. Jahrhundert verfaßt wurde39, heißt es von den Seelen der Verstorbenen:
„libera eas de ore leonis“, womit in diesem Fall der ewige Tod, die Verdammnis
gemeint ist.

Aufgrund dieser und ähnlicher Zeugnisse wird offenbar, wie das neugeschaffene
Bild zu verstehen ist. Der Grabinhaber, ein vornehmer Römer, steht in der linken
Szene zusammen mit seiner Schutzgöttin Diana, welche die Züge seiner Gattin
angenommen hat. Der aufgespannte Behang, das sogenannte Parapetasma, deutet
die Verewigung des Paares an40. In der rechten Szene trifft der durch sein Porträt
gekennzeichnete Grabinhaber als Jagdherr, begleitet von einem Jäger zu Pferde
und einem Treiber zu Fuß, auf den Löwen und überwindet ihn. Der Tod kann dem

36 C. Robert, ASRIII2,164.166-168.170-172.174. - M. Lawrence in: In Memoriam O. J. Brendel (1976)
173ff. Taf. 42-44. - Koch-Sichtermann, HdArch 150f.

37 J. M. C. Toynbee, Animais in Roman Life and Art (1973) 65.

38 HA Hadrianus 26, 10. - Vgl. ASRI2, 27 mit Anm. 105.

39 Lexikon für Theologie und Kirche 8 (1963) 1246 s. v. Requiem (L. Kunz). - Vgl. J. Quasten, Die
Grabinschrift des Beratius Nicatoras, RM 53, 1938, 50ff. und W. Deonna, Salva me de ore leonis,
RBPhil 28, 1950, 479 ff.

40 F. de Ruyt, Recherches sur le symbolisme funeraire, BlnstHistBelgRom 17, 1936, 162.
 
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