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Andreae, Bernard
Die Symbolik der Löwenjagd: [d. Vortrag wurde am 23. Mai 1984 in Düsseldorf gehalten] — Opladen, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.27674#0015
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Die Symbolik der Löwenjagd

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von Virtus geleiteten Römer nichts anhaben. Um die Symbolik der Szene zu unter-
streichen, ist unter dem siegreich dahinsprengenden Jäger bisweilen die Figur
eines Trauben naschenden Häschens (Taf. 17.19) dargestellt, eines Symbols der
Ewigkeit41. Der Hase, dessen Fruchtbarkeit trotz zahlloser Feinde ein Überleben
seiner Gattung sichert, wird, genährt von den Trauben, dem Geschenk des Gottes
Dionysos, vollends unsterblich. Die eigentümliche Einfügung der idyllisch
erscheinenden Szene mit dem Trauben naschenden Häschen in den pathetischen
Kampf mit dem Löwen betont noch, was schon das furchtlose, aber keinesfalls
sinnvolle oder gar waidgerechte Anreiten gegen den Löwen erkennen läßt, daß es
hier nicht um die realistische Schilderung einer „Löwenjagd an den Grenzen des
Imperiums“ geht, wie Gerhart Rodenwaldt diese Szenen hatte deuten wollen,
sondern daß ein symbolischer Gedanke ausgedrückt werden soll, nämlich die
Überwindung des im Löwen ausgedrückten Todes durch Virtus. Es ist der alte
stoische Gedanke der griechischen und römischen Konsolationsliteratur, der hier
in einem neuen, zeitgemäßen Bilde Gestalt gewinnt.

Zeitgemäß ist dieses Bild in verschiedener Hinsicht. Im 3. Jahrhundert beobach-
tet man, daß sich immer größere Volksschichten der für die Prinzipatsideologie
entworfenen Ikonologie bemächtigen. So findet man den von Hadrian und Com-
modus schon im 2. Jahrhundert als Allegorie der Virtus Augusti hingestellten
Löwenjagdtypus auf den Sarkophagen des 3. Jahrhunderts von immer mehr Perso-
nen höheren, aber auch mittleren gesellschaftlichen Ranges verwendet, die aber in
keinem einzigen Fall die Kaiserwürde innehatten oder nachweislich dem Hause des
Princeps überhaupt nahestanden. Gerade die größten Jagdsarkophage, die zu den
monumentalsten Kunstwerken des 3. Jahrhunderts n.Chr. gehören, zeigen so deut-
lich individuelle Porträts der Grabinhaber, daß eine Verwechslung mit einem der
römischen Kaiser, deren Gesichtszüge ja von Münzen bekannt sind, ausgeschlos-
sen werden kann. Obwohl nur dem Kaiser das Recht der Löwenjagd zukam, wer-
den auf den Sarkophagen Privatleute, ja sogar Kinder als Löwenjäger dargestellt.
Daraus erhellt schon, daß diese Löwenjagden symbolisch sind.

Dieser Symbolismus wird auf den Sarkophagen sowohl typologisch als auch
stilistisch immer genauer herausgearbeitet, und auch darin erweisen sich die Sarko-
phage als zeitgemäß und sogar als eine künstlerisch führende Gattung.

Mit dem als Symbol zu verstehenden Genremotiv des Trauben naschenden
Hasen wird also auf den Sinn der ganzen Löwenjagdszene hingewiesen. Durch die
Überwindung des im Löwen verkörperten Todes gewinnt der Grabinhaber, der in
der linken Szene im Aufbruch erscheint, Verewigung. Ich sage mit Absicht nicht
„ewiges Leben“, denn dieses Bild hat mit der christlichen Vorstellung vom Weiter-
leben nach dem Tode höchstens die gemeinsame Wurzel einer in dieser Zeit beson-

41 ASRI2, 53.
 
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