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Andreae, Bernard
Die Symbolik der Löwenjagd: [d. Vortrag wurde am 23. Mai 1984 in Düsseldorf gehalten] — Opladen, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.27674#0023
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Die Symbolik der Löwenjagd

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heißt, man kann einen Löwen wie den des Mailänder Fragmentes einer neuen
Rekonstruktion (Textabbildung 2)80 zugrunde legen: Das Verhältnis dieses Frag-
mentes zum Pferd in Chapel Hill läßt sich ziemlich genau festlegen, da der Ansatz
eines Hufes von genau gleicher Größe wie der des erhaltenen rechten Pferdebeines
einen klaren Anhaltspunkt gibt. Dieser Punkt darf von dem Pferd nicht weiter ent-
fernt werden, als das linke Pferdebein mit fast senkrecht gehaltenem Huf ausgrei-
fen kann, und es darf nicht näher herangerückt werden, als daß die Löwentatze mit
dem rechten Pferdebein in Konflikt geriete. Es gibt im Grunde nur einen einzigen
Punkt, wenn man zugleich die Höhe des Löwen vom Boden und die Größe des Rei-
teroberkörpers über dem Löwen berücksichtigt. An diesem einen Punkt fügt sich
das Mailänder Fragment bruchlos in die aus den Fragmenten in München und
Chapel Hill zu erschließende Komposition ein. Nach unserer Kenntnis der Eigen-
art eines jeden römischen Sarkophages, von denen es keine exakten Repliken
gibt81, kann dies schwerlich ein Zufall sein. Wenn das Mailänder Fragment gleich-
wohl nicht zum Münchener Löwenjagdsarkophag gehören sollte, dann müßte es
zu einem so ähnlichen Sarkophag gehören, daß man es auf jeden Fall für einen
Rekonstruktionsversuch des Münchener Löwenjagdsarkophages heranziehen
darf.

Allerdings sollte die hypothetische Rekonstruktion eines Sarkophages mit Hilfe
von disiecta membra nicht der Zweck der ganzen Bemühungen sein. Es geht viel-
mehr darum herauszufinden, was die römischen Sarkophagwerkstätten mit der
Änderung in der Komposition des geläufigen Löwenjagdsarkophages, in denen der
Löwe am rechten Bildrand seinen Platz hatte, aussagen wollten. Dies muß beim
herausragenden Münchener Löwenjagdsarkophag deutlicher herauskommen als
bei den erwähnten82 zweit- und drittrangigen Exemplaren (Taf. 30,1-3.31,1 u. 2).

Fügt man das Mailänder Fragment (Taf. 4) in den Kontext des Münchener Sarko-
phages (Taf. 1-9) ein, so erhebt sich als erste die Frage, ob der Mailänder Löwe nicht
viel zu groß ist im Vergleich zu den übrigen Figuren. Diese Frage kann sogleich mit
einem Nein beantwortet werden, weil das Pferd über dem Löwen ganz genau so
groß ist wie das Pferd in Chapel Hill (Taf. 3). Die Größe des Löwen im Verhältnis
zu den Pferden ist also beabsichtigt und enthält ebenso eine Aussage wie die Tat-
sache, daß der Löwe schon über den Bildrand hinaus mit unwiderstehlichem Impe-
tus ins Innere des Bildes vorgedrungen ist. Dieser Löwe ist im Verhältnis zu den ihn
auf dem Fragment in Mailand umgebenden Tieren ebenso wie im Verhältnis zu den
Figuren des mit seiner Hilfe rekonstruierten Sarkophages der größte Löwe, den
man von den römischen Jagdsarkophagen kennt. Er ist der bedrohlichste und

80 Für die Rekonstruktionszeichnung habe ich G. Tilia zu danken.

81 Vgl. ASRI2.87.

82 o. Anm. 65-76.
 
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