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Andreae, Bernard
Die Symbolik der Löwenjagd: [d. Vortrag wurde am 23. Mai 1984 in Düsseldorf gehalten] — Opladen, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.27674#0028
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26

Bernard Andreae

Die Tatsache, daß sich die aus den inneren Kriterien der Bruchstücke zurück-
gewonnene Komposition in so verblüffender, ungezwungener Weise durch nach-
trägliches Anlegen des Rasters erklären läßt, der dem Entwurf des Sarkophagreliefs
zugrunde gelegen haben dürfte, kann als eine Art Neunerprobe für die Richtigkeit
der Rekonstruktion gelten.

In dieser Komposition, die eine Weiterentwicklung des im Reimser Sarkophag
(Taf. 11.32) gestalteten Reliefbildes darstellt, ist die Wucht des Zusammenpralls
zwischen Löwen und Jagdherrn noch einmal eindrucksvoll gesteigert. Dieser
gewaltige Löwe wird nicht in der rechten unteren Bildecke gleichsam in die Enge
gedrängt, so daß der Sieg des Jagdherrn, der zugleich der im Sarkophag ruhende
Verstorbene ist, schon sicher scheint, sondern dieser Löwe hat die Barriere der
Jäger überwunden. Der mit dem Schwert über dem Kopf Ausholende kann ihn
schon nicht mehr erreichen. Der zweite Jäger sticht von hinten zu, nicht von vorn
wie der Reiter auf dem Reimser Sarkophag. Hier, wie auf den meisten Sarkopha-
gen, ist der Löwe schon von einem Speer getroffen. Beim Mailänder Fragment
(Taf. 4) ist davon nichts zu sehen. Dieser Löwe ist im Vollbesitz seiner Kraft. Auch
der Hund, der sich in seiner Mähne verbeißt, kann ihn nicht aufhalten, sondern
steigert durch seine Wut nur die Gewalt des angreifenden Löwen. Dem gleichen
Effekt dienen die mit starren Augen am Boden verendenden Tiere, der Bär, der
Eber, die Löwin, über die hinweg der Löwe zum Sprung ansetzt. Der Jagdherr ist
auf sich und seine Virtus allein gestellt. Er fixiert den Löwen und richtet die Lanze
auf seine Brust.

Die Formung des Kopfes (Taf. 2) und der intensive Blick des Löwenjägers sind so
genau getroffen, daß es schwerfällt, in diesem zur Hälfte in Gips ausgedrückten
Porträt die Ergänzungsarbeit eines modernen Restaurators zu erkennen. Dieser
Kopf stellt in der Tat, wie oben schon bemerkt, ein merkwürdiges, kaum lösbares
Problem dar. Merkwürdig ist, wie stilrein der Ergänzer, wenn er diesen Kopf frei
entworfen hätte, die Formen der späteren siebziger Jahre des 3. Jahrhunderts
n. Chr. getroffen hätte. Es wäre eher vorstellbar, daß ein Abguß des Originalfrag-
mentes angepaßt wurde. Dafür spricht auch die Tatsache, daß Nase und Ohren in
der Gipsnachbildung in einer Weise bestoßen erscheinen, wie man dies eher bei
einem Originalfragment erwarten kann. Da die Gipsergänzung abgenommen
wurde und verloren ging, läßt sich jedoch ein eindeutiges Urteil nicht mehr fällen,
und so wollen wir auf diesem Punkt nicht beharren.

Ein wichtiges Problem, das sich durch den neuen Rekonstruktionsvorschlag
ergibt, muß aber zum Schluß noch etwas ausführlicher behandelt werden.

Wie schon erwähnt, hatte Dieter Ohly bei seinem Rekonstruktionsvorschlag
(Textabbildung 1) nach dem Vorbild der anderen monumentalen Löwenjagdsarko-
phage den aufbrechenden Grabinhaber im Panzer dargestellt91. Hier ist daran zu
erinnern, daß die Löwenjagdsarkophage zunächst in zwei Varianten, nämlich dem
 
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