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Andreae, Bernard
Plinius und der Laokoon — Mainz am Rhein, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.14998#0015
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Die Laokoon-Gruppe wird in der antiken Literatur
bekanntlich nur ein einziges Mal erwähnt, und
zwar in der Naturalis Historia 36, 37 des C. Plinius
Secundus d. Ä. Der ganze Absatz und die vier
ersten Zeilen des folgenden lauten:

Nec deinde multo plunum fama est, quorundam
claritati in operibus eximiis obstante numero artifi-
cum, quoniam nec unus occupat gloriam nec plures
pariter nuncupari possunt, sicut in Laocoonte qui est
in Titi imperatoris domo, opus omnibus et picturae et
statuariae artis praeferendum. Ex uno lapide eum ac
liberos draconumque mirabiles nexus de consilü sen-
tentia fecere summi artifices Hagesander et Polydorus
et Athenodorus Rhodii.

Similiter Palatinas domos Caesarum replevere pro-
batissimis signis Craterus cum Pythodoro, Polydeuces
cum Hermolao, Pythodorus alius cum Artemone, at
singularis Aphrodisius Trallianus.

Die jüngste mir bekanntgewordene deutsche
Übersetzung findet sich in einem grundsätzlichen
Beitrag von E. Simon1 mit dem Titel: „Laokoon
und die Geschichte der antiken Kunst":

„Bei ausgezeichneten Kunstwerken tritt
manchmal die Zahl der Künstler, die daran ge-
arbeitet haben, dem Ruhm in den Weg, indem
weder einer allein den Ruhm davontragen darf
noch mehrere in gleicher Weise ihn für sich
beanspruchen können. Das (aber) ist der Fall
beim Laokoon. Er steht im Haus des Impera-
tors Titus, ein Werk, das allen Werken der
Malerei und Skulptur vorzuziehen ist. Drei
Spitzenkünstler haben ihn und die Söhne und
die staunenswerten Windungen der Schlangen
aus dem gleichen Gestein nach Beschluß der
(kaiserlichen) Ratsversammlung — de consilü
sententia — gemacht: die Rhodier Hagesander,
Polydorus und Athenodorus.

Ähnliches gilt für die Künstler, welche die
kaiserlichen Häuser auf dem Palatin mit vor-

züglichen Statuen ausgestattet haben: Crate-
rus mit Pythodorus, Polydeuces mit Hermo-
laus, ein anderer Pythodorus mit Artemon
und als Alleinschaffender Aphrodisius von
Tralleis."

Um diesen, in mancher Beziehung erstaunlichen
Text richtig bewerten zu können, muß man zu-
nächst bedenken, wer der Autor der Mitteilung
war und welche Stelle sie im Gesamtwerk ein-
nimmt. Plinius2 war nicht Kunsthistoriker, son-
dern von Beruf Admiral und aus Neigung Polyhi-
stor. Daß er in seinem Beruf pflichtbewußt war,
zeigt sein Tod beim Vesuv-Ausbruch 79 n. Chr.
Während andere vor der Gefahr flohen, versuchte
er mit Hilfe der von ihm kommandierten Kriegs-
marine den Gefährdeten Rettung zu bringen und
opferte dabei sein Leben. Seine Naturgeschichte ist
das wertvollste erhaltene Kompendium des Allge-
meinwissens im Altertum.

Die Kunstgeschichte3 nimmt darinnen nur einen
sehr kleinen Teil ein, und doch wäre es ohne die
dort gebotenen Informationen nicht möglich, eine
antike Künstlergeschichte zu schreiben.

Das Interesse des Plinius ist jedoch vorwiegend
naturwissenschaftlich. Das zeigt sich schon daran,
daß er die Kunstwerke nicht unter künstlerischen
Gesichtspunkten, sondern unter den Materialien
behandelt, aus denen sie geschaffen sind: die
Bronzewerke unter den Metallen4, die Malerei un-
ter den Steinen und Erden3, aus denen die Farben
gemischt werden, und die Steinskulpturen unter
dem Marmor6, aus dem sie gehauen sind. Alle drei
voneinander durch weitere allgemeinwissenschaft-
liche Mitteilungen getrennten Abschnitte über die
Bronzegießer, die Malerei und die Marmorbildhauer
sind unter das letzte der sieben Sachgebiete sub-
sumiert, in die der riesige Stoff gegliedert ist.

Im ersten Buch teilt Plinius7 mit, er habe 2000
Bücher gelesen, 146 römische und 327 nichtrömi-
sche Quellen, das heißt vor allem griechische, ver-
 
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