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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0027

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Begriffe: Realismus, Schönheit, Grösse

tutiv, als wesenhaft erachtet wird, sondern um ihrer vom Auftrag-
geber beabsichtigten, vom Künstler verwirklichten und vom Be-
trachter rezipierten historischen Aussage willen aufgesucht werden.
Schon die Tatsache selbst, dass die Kunst um 300 v. Chr. den Realis-
mus sucht, ist ein historisches Phänomen. Um dieses besser deuten
zu können und in der Absicht, eine sichere historische Grundlage
dafür zu gewinnen, werden hier - es sei noch einmal betont - nur
solche Werke hellenistischer Plastik in ihrer geschichtlichen Abfolge
behandelt, deren Zeitstellung, sei es durch die Nennung des Auf-
traggebers, durch den Meisternamen oder die überlieferte Aussage
eines Betrachters, gesichert ist. Es sind - absolut gesehen - nicht vie-
le, kaum ein volles Hundert, aber darunter sind wenigstens fünfzig
vollkommen überragende, grosse und in jedem Fall aussagefähige
Schöpfungen von Einzelstatuen, Gruppen oder Komplexen, die ein
Gesamtbild ergeben können. Wenn in der Entwicklung dieses Bildes
eine historische Notwendigkeit aufleuchtet, dann sollte das als An-
halt für eine verständliche und nachvollziehbare Stilentwicklung
angesehen werden. In diese darf man später auch andere Werke ein-
zuordnen versuchen, deren Entstehung man aus äusseren Kriterien
nicht mehr örtlich und zeitlich festlegen kann.

Ort und Zeit der Entstehung eines Kunstwerkes bedingen, wie
schon Quintilian (Inst. 12, 10, 9) - und das heisst die antike Kunst-
theorie - wusste, eine wichtige Komponente des Stils, in dem das
Kunstwerk verwirklicht ist. Der Stil mag als Handschrift des Mei-
sters so persönlich sein, wie er will, er ist doch in keinem Fall von
Ort und Zeit der Schaffung des Kunstwerkes unabhängig. Man
kann demnach den Stil eines Kunstwerkes erst richtig erkennen,
beurteilen und historisch auswerten, wenn man es zeitlich und
kunstlandschaftlich eingeordnet hat. Wo das nicht möglich ist,
bleibt auf jeden Fall eine Voraussetzung für das Verständnis, dass
man zuvor die allgemeine Stilentwicklung in der hellenistischen
Kunst kenntlich gemacht hat. Solange Hauptwerke dieser Epoche
wie die Laokoongruppe und viele andere Schöpfungen um mehre-
re hundert Jahre hin- und hergeschoben werden, kann man aller-
dings von einer sicheren Kenntnis der Stilentwicklung in hellenisti-
scher Zeit nicht sprechen. Man muss vielmehr zugeben, dass ein hi-
storisch falsch eingeordnetes Werk in doppelter Hinsicht der Er-
kenntnis abträglich ist; erstens weil es in der Zeit mangelt, für die
es aussagefähig ist, und zweitens, weil es die Epoche verunklärt,
der es zu Unrecht zugewiesen wird. Es ist also besser, die Datierung
eines Werkes offenzulassen, als es falsch oder auch nur unsicher zu
datieren. Man wird deshalb in dieser Darstellung nicht wenige be-
deutende Werke hellenistischer Plastik vermissen und muss sich
dann eingestehen, dass ihre örtliche und zeitliche Einordnung nicht
ohne weiteres möglich ist.

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