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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0028

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ÜBERLIEFERUNG

2. Überlieferung

Die Erkenntnis der Stilentwicklung hellenistischer Plastik ist durch
die Überlieferung erschwert. Die schriftlichen Nachrichten sind
spärlich und unklar, die zufällig erhaltenen Kunstwerke sind nur
zum weitaus geringeren Teil in Originalen, zum Grossteil allein in
römischen Kopien und Abwandlungen bekannt. Die Tatsache, dass
die Römer keine Anstrengung gescheut haben, sich die hellenisti-
schen Meisterwerke anzueignen und sie damit für die Nachwelt zu
retten, verdient Bewunderung. Doch beantwortet das nicht die
grundsätzliche Frage, ob die als Abschnitt der politischen Geschich-
te genau umschriebene Epoche des Hellenismus, das heisst der
Durchdringung der Ägäis und Vorderasiens mit griechischer Macht
und Kultur und der Verarbeitung orientalischer Einflüsse in dem-
selben Raum, überhaupt eine den vorhergehenden Epochen der
griechischen Kunst vergleichbare Stilepoche ist.

Die antike Kunsttheorie schliesst die Entwicklung der Kunst mit
dem Wirken Lysipps ab. Danach gab es zwar viele Künstler, die auf
der zuvor erarbeiteten Basis weitermachten, aber dass auch sie noch
eine Entwicklung durchliefen, die sich mit der von der Archaik zur
Klassik vergleichen Hesse, wird nicht mitgeteilt.

Diese grundsätzliche Frage, ob es im Hellenismus überhaupt eine
nachvollziehbare Stilentwicklung gab, belastet das Problem zusätz-
lich. Andererseits sieht man in allen Epochen der Kunst eine mit
dem Zeitpfeil ausgestattete Abfolge der künstlerischen Entdeckun-
gen sich vollziehen, die man Entwicklung nennt, vielleicht ohne die
ganze Problematik dieses Begriffs immer gegenwärtig zu halten.
Auch wir verzichten darauf, an dieser Stelle Kritisches zum Ent-
wicklungsbegriff zu sagen, weil das von der Aufgabe dieses Buches
ablenkt und möglicherweise überhaupt einen falschen Ansatz dar-
stellt. Entwicklung ist ein mit der Welt als solcher verbundenes Pro-
blem, das weniger einer Erklärung als vielmehr einer Beschreibung
bedarf. Wir verwenden den Begriff deshalb so, wie er überall in der
Kunstgeschichte benutzt wird, um die historische Entfaltung zeitge-
bundener künstlerischer Möglichkeiten darstellen zu können. Man
darf unseres Erachtens eine so verstandene Entwicklung der helle-
nistischen Plastik nur dann verneinen, wenn beim besten Willen
keine Gemeinsamkeit zwischen den nachweislich frühen, mittleren
und späten Kunstwerken dieser Epoche aufzuzeigen wäre. Es sind
zwar, wie gesagt, nicht viele Werke, die einen unverrückbar festen
Platz innerhalb dieses Geschichtsabschnitts einnehmen. Dass es
nicht mehr sind, ist vielleicht das Haupthindernis für ein den ande-
ren Epochen vergleichbares kunstgeschichtliches Verständnis. Man
kann aber an allen datierbaren Werken dieser Zeit, sei es in den als
Originalen oder als Kopien auf uns gekommenen, etwas Spezifi-
sches nachweisen, das man als hellenistisch bezeichnen darf. Zu zei-

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