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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0029

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Überlieferung

gen, wie es sich in einer logisch nachvollziehbaren Weise gebildet
und gewandelt hat, ist die Absicht dieses Buches, das sich auf zahl-
reiche fremde und eigene Vorarbeiten stützen kann.

Diese werden im Folgenden so weitgehend verarbeitet, dass der
Leser nicht auf diese früheren Arbeiten zurückverwiesen werden
muss, sondern dem Gedankengang ohne weiteres folgen kann. Zur
Erleichterung der Lektüre wird auch auf weitläufige Auseinander-
setzung mit anderen Ansichten verzichtet, auch wenn der Autor
hier mit Vorwürfen rechnen muss. Die Überzeugungskraft jeglicher
Argumentation beruht aber sowieso darauf, dass das Bild, das die
Aneinanderreihung fest datierter Skulpturen ergibt, wirklich, wie
der Verfasser hofft, zu einem tieferen Verständnis zu führen in der
Lage ist. Das kann nur die Anschauung selbst zeigen, und ange-
sichts einer Evidenz der Bilder, wenn diese überhaupt zu erreichen
ist, verlieren Wortgefechte ihren Sinn.

3. Eutychides: Tyche, die Stadtgöttin von Antiochia

Es gibt eine, vielleicht beiläufige, aber nichtsdestoweniger besonders
einprägsame Definition des Stils oder der Aussageform, der sich ei-
ner der frühesten hellenistischen Meister aus der Generation nach Ly-
sipp, Eutychides, in neuer Weise bedient hat. Diese Definition betrifft
zwar ein nicht erhaltenes Werk, eine Darstellung des Flusses Eurotas
bei Sparta; man kann sich aber durch eine Darstellung des Flusses
Orontes in der Gruppe der Tyche, der Glücksgöttin von Antiochia,
aus der Werkstatt desselben Eutychides eine Vorstellung vom Stil sei-
nes nicht überlieferten Eurotas machen. Von diesem hiess es, er sei
"flüssiger als der Fluss" (Plin., nat. 34, 78). Was man in der Gruppe
der Tyche sieht, ist ein nackter Schwimmer, der mit ausholender
Schwingung seiner Arme unter den Füssen der sitzenden Stadgöttin
hervorschwimmt. Gewöhnlich wurden Flussgötter gelagert darge-
stellt. Die für den Eurotas gegebene neue Definition eines Kunstwer-
kes, das die Personifikation eines Flusses darstellte, meint eine evi-
dente Steigerung der Aussage mit Hilfe der Form: "flüssiger als flüs-
sig" oder nach einem antiken Epigramm (Philippos, Anth. Gr. 9, 709 Owntes
1. Jh. n. Chr.) über die Statue "nasser als Wasser". Diese Stilbestim- Paris, Bibliotheque
mung, die eine Steigerung in der Darstellung meint, trifft nur meta-
phorisch auf die kraulende Figur des Flusses Orontes zu. Gewiss kann
man sagen, dass die ausgreifende Schwimmbewegung des Flussgot-
tes in sich evident ist, während man das Fliessen eines Flusses kaum
wahrnimmt. Aber das ist nicht das Entscheidende und sollte nicht da-
von ablenken, dass etwas wirklich Wesentliches erkannt wurde. Es ist
eine im wörtlichen Sinn eigentlich unmögliche, aber doch im Kunst-
werk formal vollzogene, vor Augen geführte Steigerung.
Als Beispiel ist die erwähnte Sitzstatue der Tyche von Antiochia

Nationale.
Um 300 o. Chr.

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