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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0045

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Der Koloss von Rhodos

auch in der Neuzeit nur durch die 1886 in New York eingeweihte
Freiheitsstatue von Auguste Bartholdi mit ihren 151 ft. = 46 m Höhe
übertroffen. Die berühmte Christusstatue von Rio de Janeiro ist 30
Meter hoch.

Der Koloss von Rhodos ist die einzige unter die sieben Weltwun-
der eingereihte hellenistische Plastik, und sie ist als solche emble-
matisch, ein Sinnbild. Für die Anschauung antiker Kunst spielt sie
keine sicher greifbare Rolle.

7. Teisikrates: Der "betende" Knabe

Betrachten wir hingegen ein hellenistisches Bronzeoriginal nicht nur
der Zeit, in der der Koloss von Rhodos entstand, sondern auch vom
Ort seiner Entstehung, der Insel Rhodos, dann lässt sich sehr wohl
ein Stilbegriff bilden. Diese Bronzeplastik ist seit dem Beginn des 16.
Jahrhunderts bekannt und galt immer als eine der berühmtesten
Antiken. Sie erlebte ihre "Wiedergeburt als frühhellenistisches Ori-
ginal" aber erst kürzlich, als Gerhard Zimmer die Statue mit mo-
dernsten Methoden untersuchte und restaurieren Hess. Es handelt
sich um den sogenannten Betenden Knaben, der aus Rhodos in ve-
nezianischen Privatbesitz kam, mehrfach den Besitzer wechselte, bis
Friedrich DL von Preussen sie für sein Schloss Sanssouci kaufte, von
wo sie in die Berliner Antikensammlungen gelangte.

Der nackte Knabe ist schön wie Demetrios Poliorketes, und er ist
dessen Porträt so nah verwandt, dass man die gleiche Handschrift,
wahrscheinlich die des als Schöpfer des Porträts bekannten Teisikra-
tes von Sikyon, erkennen darf. Das berechtigt uns, sie in die Reihe der
hier behandelten Skulpturen aufzunehmen. Die bronzene Knabensta-
tue hat gegenüber dem Marmorporträt des Demetrios Poliorketes Museen. Antikens
den doppelten Vorteil, dass sie ein Original ist und dass auch der Kör- Um 300 v. Chr.
per vollständig und in sehr gutem Zustand erhalten blieb. Nur die
Arme fehlen. Der Ansatz der Arme und die Art und Weise, wie der
Knabe den Kopf leicht nach oben hebt, zeigen eine Haltung, die man
als die eines Beters verstehen zu können glaubte. Wahrscheinlicher
ist, dass der Knabe in einen Gruppenzusammenhang gehört und ei-
ner höher, vielleicht auf einem Wagen stehenden Figur einen Gegen-
stand nach oben reichte. Für die stilgeschichtliche Beurteilung ist das
weniger wichtig. Die weichen, runden Formen des am Beginn der Pu-
bertät stehenden Knaben zeigen eine genaue Kenntnis des menschli-
chen Körpers; sie lassen die Beweglichkeit der Oberflächenmuskula-
tur über dem tragenden Skelett erkennen, das in den Gelenken der
Gliedmassen, den Hüftgelenken am starren Becken und in der Wir-
belsäule biegbar ist, und sie machen diese Beweglichkeit anschaulich
an der Auswirkung einer bestimmten, einfachen Fussstellung und
Annhaltung auf die Auswägung der Gewichte im Körper. Das hatte

Auch Seite 42:
Bronzeknabe des
Teiskrates'.)
Berlin, Staatl.

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