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Andreae, Bernard
Schönheit des Realismus: Auftraggeber, Schöpfer, Betrachter hellenistischer Plastik — Mainz, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.14992#0047

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Kephisodotos und Timarchos: Das Sitzbild Menanders

8 a. Kephisodotos und Timarchos: Das Sitzbild Menanders

Nicht nur die Söhne und Schüler des Lysipp, sondern auch diejeni-
gen eines anderen der grossen spätklassischen Meister, nämlich des
Praxiteles, Kephisodotos und Timarchos mit Namen, spielen in der
frühhellenistischen Plastik eine bedeutende Rolle.

Ein sicheres, durch die Inschrift auf dem erhaltenen Sockel be-
zeugtes Werk ist das Sitzbild des attischen Komödiendichters Men-
ander, das Klaus Fittschen im Anschluss an J. F. Crome vor kurzem
durch eine methodische Leistung besonderen Ranges wieder kennt-
lich machen konnte. Er zeigte durch den Vergleich der Gewandpar-
tien bei erhaltenen Büsten mit den gleichen Falten beim Gewand
isoliert gefundener Körper, dass ein bestimmter Statuentypus mit
dem als Bildniskopf Menanders erwiesenen Kopftypus zusammen-
gehört, und konnte damit das Gesamtbild des Dichterporträts wie-
dergewinnen.

Von keinem Porträtkopf eines anderen antiken Dichters sind so
viele römische Kopien überliefert wie von Menander. Es sind 71.
Zählt man die neun erhaltenen Wiederholungen des sitzend darge-
stellten Körpers hinzu und bedenkt man, dass es von vielen helleni-
stischen Bildnissen nur eine einzige Replik gibt, kann man ermes-
sen, wie beliebt Menander gewesen sein muss, dessen Nachruhm
seinen zu Lebzeiten (342/41-293/91 v. Chr.) errungenen Ruhm noch
weit übertraf. Neben dem Knabenbild des Teisikrates und den
Herrscherbildnissen des jungen Demetrios Poliorketes, des reifen
Mannes Seleukos und des an der Grenze des Alters stehenden Pto-
lemaios [. gilt die Betrachtung nun dem Bildnis eines Intellektuellen,
der ein Alter von 52 Jahren erreichte.

Menanders erste Komödie wurde 321 v. Chr. aufgeführt. Der
Dichter steht damit am Beginn der neuen Epoche. Bei seinen Studi-
en im Peripatos unter dem Aristotelesschüler Theophrast lernte er,
dass Kunst Nachahmung des Lebens sei. Die Schrift "Charaktere",
des Theophrast, 30 mit überlegener Beobachtungsgabe gezeichnete
Bilder menschlicher Schwäche, hatte nachweislich Einfluss auf
Menanders Menschendarstellung. Man findet damit in der Literatur
das gleiche Problem, dem sich die bildende Kunst dieser Zeit ge-
genübersah und das Xenokrates auf den Punkt brachte. Auch Men-
ander blickt auf das Leben und schaut zu den Werken spätklassi-
scher Literatur zurück. Er schloss allerdings in seinem Werk zwei
für die hellenistische Kunst vorrangige Elemente fast völlig aus:
Mythos und Politik. Er prägte das nur in der Übersetzung von
Terenz (Haut. 25) überlieferte Wort: homo sunt, humani nil a mc alie-
nutn puto, "Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches ist mir fremd",
das zum Motto des Humanismus wurde und auch für den Helle-
nismus entscheidend wichtig war.

Das Bildnis Menanders wurde bald nach dem Unfalltode des

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